Syrien:Türkei bombardiert Kurden

Angriffe der türkischen Luftwaffe auf Stellungen der nordsyrischen Kurdenmiliz fordern mehrere Tote, darunter auch Zivilisten. Die genaue Anzahl der Opfer geht je nach herangezogener Quelle weit auseinander.

Von Mike Szymanksi

Bei Luftangriffen durch das türkische Militär sollen am Mittwoch Dutzende kurdische Kämpfer in Nordsyrien verletzt oder getötet worden sein. Die Angaben zu den Opferzahlen gehen jedoch weit auseinander: Während die Armee türkischen Medien zufolge von bis zu 200 Toten sprach, ging die kurdische Verwaltung der Region von Dutzenden Toten aus, darunter auch Zivilisten. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von elf Toten und Dutzenden Verletzten.

Die Türkei hatte Ende August mit eigenen Soldaten in Syrien eingegriffen. Die Offensive "Schutzschild Euphrat" richtet sich neben dem IS auch gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die mit der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbündet sind. Ankara will die Kurden daran hindern, weitere Gebiete an der türkischen Grenze unter ihre Kontrolle zu bringen. Obwohl die Türkei den IS erfolgreich aus dem syrischen Grenzgebiet vertrieben hat, sieht sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, den Kampf gegen die Terrormiliz mit ihrem Vorgehen gegen die Kurden zu schwächen. Die kurdische Regionalverwaltung erklärte: "Die Türkei zeigt durch ihren Eingriff, dass sie die Banden des Islamischen Staates beschützt". Die türkischen Streitkräfte gaben an, 26 Luftangriffe gegen insgesamt 18 Ziele geflogen zu sein. Die Nachrichtenagentur DHA meldete unter Berufung auf die türkische Armee, YPG habe daraufhin am Donnerstagmorgen aus dem von ihr kontrollierten Gebiet im nordwestsyrischen Afrin fünf Mörsergranaten abgeschossen. Die Geschosse seien in der türkischen Provinz Hatay auf freiem Feld eingeschlagen. Niemand sei verletzt worden, die türkische Armee habe zurückgefeuert.

Das harte Vorgehen fällt mit einer Kursänderung in der türkischen Außen- und Sicherheitspolitik zusammen. Am Mittwoch hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan erklärt, sein Land habe zu lange tatenlos zugesehen, wie sich jenseits der Grenze Gefahren aufbauten. Er nannte den IS-Terror, aber auch das Erstarken der mit der PKK verbundenen Truppen. "Wir haben verstanden, dass uns niemand entgegenkommt und wir selbst die Ärmel hochkrempeln müssen", sagte Erdoğan. Künftig werde sein Land aktiv werden, bevor ihm das Wasser bis zum Hals stehe. Die regierungsnahe Zeitung Sabah sprach von einer historischen Erklärung.

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