Syrien:Syrischer Rebellenführer bei russischem Luftangriff getötet

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Sahran Allusch, Chef der Miliz Dschaisch al-Islam, ist laut Aktivisten in der Nähe von Damaskus getötet worden.

Rebellenführer getötet

Einer der wichtigsten Anführer radikal-islamischer Rebellen in Syrien ist laut Aktivisten getötet worden. Sahran Allusch, Chef der Miliz Dschaisch al-Islam, sei bei einem russischen Luftangriff in Ost-Ghuta in der Nähe von Damaskus ums Leben gekommen, meldeten die Nachrichtenseite Orient News und andere Oppositionsmedien am Freitag.

Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte seinen Tod. Demnach bombardierten Flugzeuge östlich von Damaskus ein Führungstreffen der bewaffneten Gruppe. Dabei habe es mehrere Tote gegeben, erklärten die Menschenrechtsbeobachter. Die Miliz Dschaisch al-Islam ("Armee des Islam") gehört zu den mächtigsten Rebellengruppen im syrischen Bürgerkrieg. Sie ist vor allem in den Gebieten östlich von Damaskus stark. Die Gruppe nahm im Dezember auch an der Einigungskonferenz der syrischen Opposition in Riad teil, die Verhandlungen mit dem Regime vorbereitete.

Wenige Stunden nach Alluschs Tod wurde Abu Himam al-Buwaidani laut syrischer Beobachtungsstelle zu seinem Nachfolger ernannt. Die Familie des 40-Jährigen unterhält enge Verbindungen zu den Muslimbrüdern.

Kritikern zufolge mit al-Kaida vergleichbar

Allusch war Sohn eines salafistischen Predigers. Er verbrachte mindestens zwei Jahre in syrischen Gefängnissen, bevor er im Juni 2011 im Rahmen einer Generalamnestie freikam. Er schloss sich dem bewaffneten Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad an und vereinte 2013 mehrere Rebellengruppen unter dem Banner von "Dschaisch al-Islam". Allusch soll nach Angaben der Nachrichtenagentur AP von Saudi-Arabien und der Türkei unterstützt worden sein.

Beobachter der politischen Situation in Syrien beschrieben Allusch als ideologisch mit al-Kaida vergleichbar. In diesem Porträt aus dem Jahr 2013 schreibt Joshua Landis, Leiter der Syria Studies Association: "Der Unterschied zwischen seiner Ideologie und der von al-Kaida ist nicht tiefgreifend. Es ist eher eine Graustufe". Landis schreibt, dass Allusch ein Sektierer sei, der in Videos dazu aufgerufen habe, Syrien von Schiiten und Aleviten zu "reinigen". (Was Schiiten und Sunniten trennt, können Sie hier lesen.)

In Interviews mit westlichen Nachrichtenseiten versuchte Allusch, dem Eindruck entgegenzutreten, ein Extremist zu sein. Im Interview mit der US-Seite McClatchy tritt er als Pragmatiker auf: "Sollten wir es schaffen, das Regime (von Assad) zu stürzen, werden wir es dem syrischen Volk überlassen, sich für eine Staatsform zu entscheiden." In früheren Interviews plädierte er für einen islamischen Staat. Weiter sagte er, dass Syrien seit Jahrhunderten mit Minderheiten zusammengelebt habe. "Wir werden nicht versuchen, den Minderheiten unsere Macht aufzuzwingen", sagte er.

"Ein Warlord, ein Diktator im Entstehen"

Allusch soll in den Gebieten, die seine Rebellengruppe kontrolliert, jede Art der Opposition "mit brutalen Mitteln" unterdrückt haben, schreibt Aron Lund, der sich für die Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace mit Syrien beschäftigt. "Für seine Gegner war er kein Held, sondern ein machthungriger Opportunist oder schlimmer - ein Warlord, ein Diktator im Entstehen".

Allusch wird darüber hinaus vorgeworfen, dass seine Organisation vier Menschenrechts-Aktivisten, darunter Razan Zaytouni, gekidnappt hat. In einem Interview mit der US-Seite Daily Beast hat Allusch diese Vorwürfe als unwahr bezeichnet.

Hassan Hassan, der ein vielgelobtes Buch über den Islamischen Staat geschrieben hat, schätzt den Tod von Allusch als folgenreich ein: "Für die rivalisierenden Gruppen, vor allem Dschihadisten, ist der Tod von Allusch auf jeden Fall eine gute Nachricht."

Abkommen zwischen Regime und IS

Zum ersten Mal haben sich das syrische Regime und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf ein Abkommen verständigt. Die von den Vereinten Nationen vermittelte Einigung sieht vor, dass die Kämpfer und ihre Familien Viertel am Rand der Hauptstadt verlassen, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag meldete. Hunderte Anhänger der IS-Terrormiliz und andere Extremisten können somit aus dem Süden von Damaskus abziehen.

Die Extremisten werden laut den Menschenrechtsbeobachtern mit Bussen in Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht, unter anderem in die IS-Hochburg Al-Rakka. Sie hätten zugestimmt, vorher Waffen und Militärfahrzeuge zu zerstören. Das Abkommen solle die IS-Präsenz in Damaskus beenden, so die Beobachtungsstelle. Die dem Regime nahestehende libanesische Nachrichtenseite Al-Mayadeen meldete, insgesamt würden mehr als 3500 Bewaffnete und Zivilisten abziehen. Darunter seien auch Kämpfer der Nusra-Front, des syrischen Ablegers des Terrornetzwerkes Al-Kaida. Die Extremisten hatten von den Stadtvierteln Al-Hadschar al-Aswad und Al-Kadam aus das benachbarte palästinensische Flüchtlingslager Jarmuk angegriffen.

IS lässt 25 christliche Geiseln frei

Außerdem hat der IS Angaben einer religiösen Organisation zufolge eine Gruppe christlicher Geiseln freigelassen. Die 25 assyrischen Christen seien am Freitag in der syrischen Stadt Tal Tamr angekommen, erklärte das Assyrische Menschenrechtswerk. Unter ihnen waren demnach 16 Frauen und Kinder. Die Freigelassenen sind Teil einer Gruppe von 250 assyrischen Christen, die der IS vor zehn Monaten bei der Eroberung ihrer Dörfer in der Provinz Al-Hasaka gefangen genommen hatte. Insgesamt seien bisher 148 von ihnen freigekommen, hieß es vom Assyrischen Menschenrechtswerk mit Sitz in Stockholm. Leiter Osama Edward sagte, Mediatoren hätten zwischen dem IS und der Kirche vermittelt, um die Geiseln freizubekommen.

© SZ/dpa/AP/AFP/mahu/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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