Syrien:Schwerste Angriffe seit Monaten

Syrien: Nur noch Trümmer: Ein von Rebellen kontrollierter Teil Aleppos.

Nur noch Trümmer: Ein von Rebellen kontrollierter Teil Aleppos.

(Foto: Karam Al-Masri/AFP)

Bei den Vereinten Nationen in New York wird über eine neue Waffenruhe verhandelt, doch Diplomaten befürchten eine Verschärfung des Krieges.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

In Syrien ist der Krieg mit großer Heftigkeit wieder aufgeflammt, ungeachtet der Beratungen bei den Vereinten Nationen in New York über die Erneuerung der Waffenruhe. Die syrische und die russische Luftwaffe flogen die schwersten Angriffe seit Monaten auf den von Aufständischen gehaltenen Ostteil Aleppos und an die Stadt grenzende Rebellengebiete. Dabei kamen mindestens 45 Menschen um, wie ein Arzt der Agentur Reuters sagte. Ein so heftiges Bombardement habe es seit April nicht mehr gegeben, berichteten Vertreter von Rebellengruppen; Aktivisten zählten 50 Attacken.

Die syrische Armee gab am Donnerstagabend bekannt, sie habe eine Offensive zur Rückeroberung von Aleppos Ostteil begonnen.

Am Rande der UN-Generalversammlung wollten am Abend die Außenminister von etwa 20 Staaten unter dem gemeinsamen Vorsitz des Amerikaners John Kerry und des Russen Sergej Lawrow darüber beraten, wie eine neue Feuerpause in Syrien durchgesetzt werden kann. Der Internationalen Syrien-Unterstützergruppe (ISSG) gehören die UN-Vetomächte an, dazu Syriens Nachbarn, wichtige Regionalstaaten wie Iran, die Türkei und Saudi-Arabien, dazu EU-Länder, auch Deutschland. Kerry und Lawrow hatten vor zwei Wochen ein Abkommen ausgehandelt, das eine Waffenruhe, Hilfslieferungen und später eine militärische Kooperation im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat und Jabhat Fateh al-Scham vorsieht, Nachfolger der mit al-Qaida verbundenen Nusra-Front.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) machte sich am Donnerstag die Forderung nach einer Flugverbotszone über dem Norden Syriens zu eigen, die Kerry in einer dramatischen Sitzung des Sicherheitsrates in der Nacht zuvor aufgestellt hatte. Nur damit lasse sich das Vertrauen in eine Waffenruhe wieder herstellen, sagte der US-Außenminister. Für Russland und seinen Präsidenten Wladimir Putin sei dies "die Stunde der Wahrheit". Moskau müsse zudem das Regime von Baschar al-Assad unter Kontrolle bringen. Frankreichs Ressortchef Jean-Marc Ayrault schlug einen neuen Mechanismus vor, um eine Feuerpause überwachen zu können. Damit solle eine Arbeitsgruppe der ISSG-Staaten unter Vorsitz der UN betraut werden. Er hatte zuvor kritisiert, die USA und Russland seien alleine nicht in der Lage, die Probleme zu lösen.

Das Klima zwischen den beiden Mächten ist extrem angespannt nach dem Angriff auf einen UN-Hilfskonvoi mit 20 Toten. Das Weiße Haus hatte Russland direkt verantwortlich gemacht. Moskau weist dies zurück und hat diverse Aussagen zu dem Vorfall gemacht, die sich teils widersprechen. Zuletzt hieß es, auch eine US-Drohne sei über dem Angriffsort gewesen, ohne dass Russland direkt den Vorwurf erhob, dass der Angriff von diesem Flugzeug ausging. Die USA bestreiten, dass dort eine ihrer Drohnen war. Russland hält den Amerikanern weiter einen Angriff auf syrische Regierungstruppen vor. Assad nannte diesen gegenüber der Agentur Associated Press "absichtlich".

Russland zeigte zunächst keine Bereitschaft, auf Kerrys Vorschlag einzugehen. Das Verteidigungsministerium in Moskau kündigte an, den einzigen Flugzeugträger des Landes vor Syriens Küste zu entsenden. Damit hätte das Militär Dutzende weiterer Kampfjets zur Verfügung, um seine Angriffe auszuweiten. Diplomaten fürchten, dass es im Herbst zu einer Verschärfung des Kriegs kommt und Versuchen des Regimes, Rebellengebiete zu erobern. Dann könnten Unterstützer der Regierungsgegner wie die Golfstaaten oder die Türkei sich entschließen, Luftabwehrraketen und weitere panzerbrechende Waffen zu liefern, während die USA wegen der Präsidentenwahl wenig handlungsfähig wären.

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