Syrien:Russland schadet sich selbst

Das Abkommen mit den USA hätte auf Dauer vor allem Moskau und seinen syrischen Verbündeten Assad aufgewertet. Doch nun durchkreuzt der Kreml seine eigene Strategie.

Von Julian Hans

Die Reaktion aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten, als vergangenen Samstag zwei Bomber der US Air Force im Verbund mit zwei australischen Jets Stellungen der syrischen Regierungstruppen nahe der Stadt Deir al-Sor trafen. Im gereizt-zynischen Zungenschlag, der seit drei Jahren den Moskauer Sound ausmacht, erklärte die Sprecherin des Außenministeriums: Da haben wir's - Washington verteidigt die IS-Terroristen!

Diese Darstellung ist nicht nur absurd und polemisch, sondern läuft auch den eigentlichen Interessen Moskaus entgegen. Nach dem Inkrafttreten der Feuerpause am 12. September hatte die von den USA geführte Koalition begonnen, Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Osten Syriens anzugreifen. Dort kämpft der IS gegen die Truppen Baschar al-Assads. Die Amerikaner taten also genau das, was Moskau seit Monaten verlangt: Terroristen bekämpfen und damit Assad entlasten.

Mehr noch: Die Amerikaner hatten vorher die Russen informiert, und die hatten grünes Licht für die Flüge gegeben. Auch das war immer eine Forderung Moskaus - Abstimmung zwischen den Großmächten. Dass die Angriffe am Samstag 62 Soldaten Assads töteten, könnte man so deuten, dass Absprachen nichts bringen, weil die Russen offenbar die Stellungen ihres Verbündeten nicht kennen oder die Amerikaner nicht zielen können.

Das Ende des Deals mit den USA macht Moskaus Pläne zunichte

Tatsächlich kommt es aber bei verwirrenden Frontverläufen vor, dass die Falschen getroffen werden. Anfang des Jahres hatten russische Bomber versehentlich Assad-Stellungen beschossen. "Friendly fire" nennen Soldaten das. Nachdem sie von den Russen unterrichtet worden waren, stoppten die USA die Angriffe und ließen Assad ihr Bedauern ausrichten.

Nach dem Angriff auf einen Hilfskonvoi der Vereinten Nationen vor Aleppo am Dienstag herrschte in Moskau erst langes Schweigen. Dann stritt das Verteidigungsministerium alles ab, erklärte aber, es hätte durchaus gute Gründe für den Beschuss gegeben, im Schatten der Lastwagen sei ein Artilleriegeschütz unterwegs gewesen.

Eigentlich hätte Moskau größtes Interesse daran, dass die Vereinbarungen halten, die Außenminister Sergej Lawrow vor zwei Wochen mit seinem amerikanischen Kollegen John Kerry getroffen hat. Sie enthalten alle Ziele, die Russland sich in Syrien gesetzt hat: Das Abkommen fixiert die vorteilhaften Stellungen, die sich die syrische Armee erkämpfte. Aus dem Kampf gegen Assad wurde ein Kampf gegen den internationalen Terrorismus, wie Moskau das immer verstanden haben wollte. Russland bekommt die Rolle einer Großmacht, die auf Augenhöhe mit den USA agiert. Obendrein hätten die Vereinbarungen langfristig Assad zum indirekten Partner der US-geführten Koalition gemacht. Im Kreml hätte man sich zurücklehnen und zuschauen können, wie die Amerikaner an ihrer Zusage scheitern, Terroristen und Rebellen zu trennen.

Stattdessen wurden in der Hitze des Gefechts und der überhitzten Propaganda die Erfolge der eigenen Diplomatie zerstört.

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