Syrien:Russische Jets greifen an

Laut Kreml gelten die Angriffe dem "Islamischen Staat", doch die gemäßigte Opposition berichtet, sie sei getroffen worden. Die Nato übt Kritik.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Russische Kampfflugzeuge haben am Mittwochnachmittag erstmals Ziele in Syrien bombardiert. Laut amerikanischen Regierungsvertretern griffen sie nördlich der Stadt Homs an; die USA seien eine Stunde vor Beginn der Angriffe informiert worden. Aus Syrien wurden zudem Luftangriffe auf Ziele bei Hama gemeldet. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, es sei ausschließlich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) attackiert worden. Minister Sergej Schoigu nannte Militärtechnik, Waffen- und Ersatzteillager der Extremisten sowie Kommunikationsknoten als Ziele.

Allerdings berichteten Rebellen aus der Region Homs, die Angriffe hätten dem Ort Talbiseh gegolten. Er wird - wie die gesamte Region nördlich der Stadt - von gemäßigten Rebellengruppen gehalten, nicht vom IS. Auch Hama ist nicht in der Hand des IS.

Nach Angaben von Aktivisten starben 27 Menschen.

US-Verteidigungsminister Ash Carter sagte, Russland habe in Gegenden angegriffen, in denen möglicherweise keine IS-Kämpfer stünden. Moskau habe "Öl ins Feuer" gegossen. Der Vorsitzende des Oppositionsbündnisses Nationale Syrische Koalition, Khaled Khudscha, erklärte, in dem angegriffenen Gebiet gebe es weder Kämpfer des IS noch der al-Qaida. Russlands Präsident Wladimir Putin betonte jedoch, die Angriffe würden dem IS gelten. "Der IS hat Russland schon vor langer Zeit zum Feind erklärt", sagte er. Putin forderte vom syrischen Machthaber Baschar al-Assad Bereitschaft zu Verhandlungen mit der Opposition. Eine Lösung sei nur auf Grundlage eines Dialogs mit den "vernünftigen Kräften des Landes" möglich. In Damaskus dankte die syrische Regierung Russland für die Angriffe. Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian sagte vor Abgeordneten in Paris, Russland habe "interessanterweise nicht den Islamischen Staat angegriffen. Daraus können Sie selbst Ihre eigenen Schlüsse ziehen." US-Außenminister John Kerry beschwerte sich über das russische Vorgehen bei seinem Kollegen Sergej Lawrow. Die USA würden russische Angriffe begrüßen, sagte er, solange sie gegen den IS und al-Qaida gerichtet seien.

Verärgert zeigten sich die USA auch über die Art und Weise, wie sie informiert wurden. Nach Angaben eines US-Militärvertreters ging etwa eine Stunde vor dem ersten Angriff ein russischer General in Bagdad aus einem Geheimdienstzentrum über die Straße zur US-Botschaft und gab Bescheid. Zugleich habe er verlangt, dass sich Flugzeuge der von den USA geführten Koalition von Syriens Luftraum fernhalten, berichteten Medien. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte zu den russischen Angriffen, bislang gebe es "keine wirklich belastbaren Hinweise über die Ziele und Methoden". Moskau müsse "schnellstmöglich für Aufklärung sorgen".

Russland dringt auf eine Resolution des UN-Sicherheitsrats für den Kampf gegen den IS. Ein entsprechender Entwurf werde im Laufe des Tages vorgelegt, sagte Außenminister Lawrow. Saudi-Arabiens Außenminister Adel al-Dschubeir kündigte an, seine Regierung und andere arabische Staaten würden als Reaktion auf Moskaus Unterstützung für Assad ihre Hilfe an die Rebellen in Syrien verstärken.

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