Syrien:Opposition wirft Assad Giftgasangriff vor

Syrien: Ein Verletzter wird abtransportiert.

Ein Verletzter wird abtransportiert.

(Foto: AFP)
  • Bei einem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien sind nach Angaben von Aktivisten Dutzende Menschen ums Leben gekommen.
  • Die Opfer zeigten offenbar Symptome, die von Nervenkampfstoffen wie Sarin ausgelöst werden.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Vor einer Syrien-Konferenz der EU an diesem Mittwoch hat mutmaßlich ein Angriff mit Chemiewaffen Dutzende Menschen in Khan Scheikhun getötet. Aktivisten aus der Stadt in der Provinz Idlib und die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichteten, es seien mindestens 72 Menschen gestorben und 160 verletzt worden, als Kampfjets die Munition am Dienstag gegen 6.30 Uhr abgeworfen hätten.

Die Betroffenen hätten keine äußeren Verletzungen, wie sie konventionelle Bomben verursachen. Sie zeigten dagegen Symptome, die von Nervenkampfstoffen wie Sarin ausgelöst werden: verengte Pupillen, Schaum vor dem Mund, Erbrechen und Lähmungserscheinungen bis hin zum Atemstillstand, der zum Tod führt. Die Echtheit von Fotos der Opfer ließ sich unabhängig nicht überprüfen, ebenso wenig die Berichte aus der Stadt.

Das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad hat in der Vergangenheit Chemiewaffen gegen das eigene Volk eingesetzt und Angriffe mit Chlor auch fortgesetzt, nachdem es 2013 sein Arsenal an Kampfstoffen aufgegeben hatte. Die UN haben in mindestens drei Fällen solche Attacken nachgewiesen, Menschenrechtsorganisationen nennen weit höhere Zahlen. Westliche Geheimdienste halten es für wahrscheinlich, dass Syrien nicht alle Chemiewaffen und Vorstoffe zu deren Produktion deklariert hat. Sollten sich die Berichte aus Khan Scheikhun bestätigen, wäre dies der Beleg dafür.

Auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat in Syrien vereinzelt Kampfstoffe eingesetzt, dabei handelte es sich aber stets um Senfgas, das Blasen auf der Haut verursacht.

Auch ein Feldlazarett soll bombardiert worden sein, in dem die Opfer behandelt wurden

Kampfjets des Regimes und möglicherweise der russischen Luftwaffe haben in den vergangenen Tagen ihre Angriffe im Süden von Idlib intensiviert. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestritt aber eine Beteiligung, auch syrische Militärquellen dementierten laut der Nachrichtenagentur Reuters den Einsatz von Chemiewaffen.

Nach Angaben aus Khan Scheikhun wurde nach der ersten Angriffswelle bei einem weiteren Luftangriff ein Feldlazarett bombardiert, in dem Opfer des ersten Bombardements behandelt wurden. Das kleine Krankenhaus sei zerstört worden.

Die USA werfen dem Assad-Regime vor, für den mutmaßlichen Giftgasangriff verantwortlich zu sein. Der Vorfall könne von der "zivilisierten Welt" nicht ignoriert werden, sagte Regierungssprecher Sean Spicer am Dienstag. US-Außenminister Rex Tillerson rief Russland und Iran in scharfen Worten dazu auf, ihren Einfluss auf Präsident Assad geltend zu machen. "Als die selbst ernannten Garanten des Waffenstillstandsabkommens von Astana tragen Russland und Iran große moralische Verantwortung für diese Toten", so Tillerson in einer Mitteilung.

Der UN-Sicherheitsrat befasst sich an diesem Mittwoch in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Angriff. Russland hatte zuletzt eine Verurteilung des Assad-Regimes im Sicherheitsrat für die von den UN festgestellten Chlor-Einsätze verhindert. Die Attacke überschattet eine von der EU ausgerichtete Konferenz in Brüssel, bei der über Hilfe für Syrien beraten wird. Dort machte auch EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini das Assad-Regime für den Angriff verantwortlich.

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