Syrien:Ohne Ende Krieg

Syrische Sicherheitskräfte bei einer Militärübung

Syrische Sicherheitskräfte bei einer Militärübung

(Foto: dpa)

Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat seine Strategie gefunden: Das Regime hält die großen Städte und Verbindungsstraßen, den Rebellen überlässt er die Provinz. Das ist die Garantie für die Fortsetzung des Gemetzels im Land - auf Jahre hinaus. Die Nachbarstaaten können und wollen dem nicht zusehen, doch sie verfolgen sehr unterschiedliche Eigeninteressen.

Ein Kommentar von Tomas Avenarius

Eine gute Nachricht zu Syrien: Die Clowns ohne Grenzen wollen die Flüchtlingslager an der türkischen Grenze besuchen, die Kinder dort für einige Stunden ablenken von dem Leid, das der Bürgerkrieg schafft. Der mutige Einsatz der deutschen Spaßmacher ist das einzig Positive, das es aus dem arabischen Land zu berichten gibt. An der militärischen und an der diplomatischen Front deutet hingegen alles darauf hin, dass das seit mehr als zwei Jahren anhaltende Töten weitergehen wird und bald schon auf die Nachbarstaaten übergreifen könnte.

Präsident Baschar al-Assad ist nach vielen Niederlagen militärisch auf dem Vormarsch. Am raschen Erfolg von Friedensgesprächen muss er nicht interessiert sein. Die libanesische Hisbollah kämpft - zusammen mit iranischen Revolutionsgardisten - in immer größerer Zahl an der Seite seiner Soldaten.

Assads Generale haben ihre Strategie gefunden. Die Rebellen dürfen die Provinz kontrollieren, aber die großen Städte und Verbindungsstraßen werden gehalten. So bleibt ein Kern-Syrien unter der Herrschaft des Regimes, so kann die strategische Achse zwischen Iran, Assad und der Hisbollah in Libanon erhalten werden. Solange Waffen aus Iran und Russland in Syrien ankommen, hat Assad eine Chance, die Aufständischen auf Abstand zu halten.

Doch Assad kann die Rebellen so nur eindämmen. Schlagen kann er sie nicht. Die erfolgreiche Strategie seiner Generale ist zugleich eine Garantie für die Fortsetzung des Bürgerkriegs auf dem Land. Und das auf Jahre hinaus.

Die Nachbarn mischen sich ein oder werden in den Konflikt hineingezogen

Die Nachbarstaaten können und wollen dem Gemetzel nicht zusehen. Sie mischen sich ein oder werden in den Strudel der Gewalt hineingezogen. Libanon: Das offene Eingreifen der Schiiten-Miliz Hisbollah in Syrien und die Flüchtlingsströme nach Libanon gefährden die empfindliche Balance zwischen den Volks- und Religionsgruppen im Zedernstaat. Der syrische Krieg kann jederzeit über die Grenze nach Libanon schwappen.

Israel: Das nervös wirkende Militär droht mit Präventivschlägen. Es fürchtet, dass Assads Raketen oder gar sein Giftgas in die Hände der Hisbollah oder von Aufständischen geraten, die al-Qaida nahestehen. Gleichzeitig sehen die Israelis in einem geschwächten Syrien aber auch einen strategischen Vorteil im Dauerkonflikt mit allen Arabern. Die Israel zuweilen eigene Risikofreude könnte vor diesem Hintergrund zu fatalen militärischen Fehleinschätzungen führen. Am Ende könnten Assad, die Hisbollah oder auch eine radikale Rebellengruppe Raketen auf den jüdischen Staat abfeuern.

Dann die Türkei: Ankara gefällt sich in Großmannssucht, unterstützt die Rebellen, ohne zu wissen, was diese nach dem Sturz Assads politisch vorhaben. Und schließlich der Rest der Welt: Amerikaner und Russen bereiten in Genf eine Syrien-Konferenz vor, arbeiten aber gegeneinander wie zu Zeiten des Kalten Kriegs.

Syrien muss eine Nation werden, in der alle Ethnien gleichberechtigt sind

Syrien wird zum Stellvertreterkrieg zwischen den USA, den Arabern und den Türken einerseits, Russland, China und Iran andererseits. Auch die syrische Exil-Opposition ist ein Totalausfall. Sie hat es bis heute nicht geschafft, einen von allen akzeptierten Führer, ein Schattenkabinett und vor allem einen Plan für die Zeit nach Assad vorzustellen.

Einig sind sich sämtliche Gegner des syrischen Diktators nur in der Forderung, dass dieser sofort abtreten muss, noch vor Friedensgesprächen. Das ist verständlich nach mehr als 80.000 Toten. Die Fixierung auf die Person Assad ist dennoch unklug: Wer verhandeln will, ohne in einer Position überwältigender Stärke zu sein, sollte keine Maximalforderungen stellen. Assad muss nach seinen jüngsten Erfolgen nicht an den Gesprächstisch. Er weiß Moskau, Teheran, Peking hinter sich.

Verhandlungen könnte man auch beginnen, bevor der Diktator abdankt. Denn dass er am Ende gehen muss, weiß Assad, wissen seine Verbündeten. Und sie werden ihn fallen lassen, wenn sich Frieden abzeichnet und ihre Interessen gewahrt bleiben.

Die Fixierung auf Assad birgt weitere Gefahren. Das syrische Drama ist nicht allein die Folge der verfehlten Politik eines Gewaltherrschers. Die Wurzeln des Bürgerkriegs reichen tief in die Geschichte. Die Marginalisierung der heute rebellierenden Sunniten und die Monopol-Position der Alawiten begann vor Jahrzehnten, unter der französischen Mandatsmacht. Wer Syrien befrieden will, muss also wissen, wie er die Grundkonflikte angeht.

Es reicht nicht, eine Minderheitselite mit Gewalt gegen eine Mehrheitselite auszutauschen. Syrien muss eine Nation werden, in der alle Religionsgruppen und Ethnien gleichberechtigt sind. Sonst folgt, was im Irak 2003 nach dem Sturz Saddam Husseins durch die US-Truppen passiert ist: eine neue Diktatur der Mehrheit.

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