Syrien:Neue Versorgungskrise in Aleppo

A man holds bread as a rebel fighter stands guard in the rebel held al-Shaar neighborhood of Aleppo

Das Brot in Aleppo wird knapp: Die UN warnen vor einer Hungerkrise in der nun vollständig belagerten Stadt.

(Foto: Abdalrhman Ismail/Reuters)

Die Truppen des syrischen Regimes schließen den Belagerungsring um die Großstadt Aleppo im Norden des Landes und gefährden die Versorgung Hunderttausender Zivilisten.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Vereinten Nationen warnen vor einer neuen Versorgungskrise in der syrischen Großstadt Aleppo. Die UN und andere Hilfsorganisationen hätten nur noch Lebensmittel, um 145 000 Menschen in dem von Rebellen kontrollierten Ostteil der einstigen Wirtschaftsmetropole einen Monat lang zu ernähren, hieß es in Genf. Nach Schätzungen westlicher Geheimdienste halten sich etwa 300 000 Zivilisten in dem Gebiet auf, die UN sprachen von 200 000 bis 300 000 Betroffenen. Bewohner berichteten, die Preise für Lebensmittel, Benzin und andere Güter des täglichen Bedarfs hätten sich in den vergangenen Tagen bereits verdoppelt.

Regierungstreue Einheiten hatten vor einer Woche die strategisch wichtige Castello-Straße eingenommen, die einzige noch verbleibende Hauptverbindungsroute in Richtung der türkischen Grenze, und somit den Belagerungsring geschlossen. Nach Angaben der UN ist die Straße nicht mehr passierbar. Die Rebellen haben zwar Vorräte angelegt, die es ihnen nach Einschätzung von Oppositionellen ermöglichen würde, auch eine monatelange Belagerung zu überstehen, zudem gibt es Schmugglernetzwerke und Tunnelsysteme, über die Waffen und Munition und anderes in die Stadt gelangen könnten. Leidtragende wären aber einmal mehr die Zivilisten.

Bei einer Offensive der Regierungstruppen gegen Aleppo mit Unterstützung der russischen Luftwaffe waren Anfang des Jahres bereits Zehntausende Menschen aus Aleppo und Umgebung in Richtung der türkischen Grenze geflohen; viele kehrten später in die umkämpfte Stadt zurück, weil die Zustände in den improvisierten Lagern im Grenzgebiet unerträglich sind. Sie werden von der Türkei aus nur notdürftig versorgt, und einige der Lager waren zwischen die Fronten geraten. Die türkische Regierung hat die Grenze abgeriegelt und lässt nur noch Verwundete passieren.

Bei schweren Gefechten in Aleppo sind in den vergangenen Tagen bereits Dutzende Menschen getötet worden. Nachdem die Truppen des Regimes von Baschar al-Assad den Belagerungsring geschlossen hatten, versuchten die Rebellen, sich mit einem Angriff auf von der Regierung kontrollierte Stadtteile Entlastung zu verschaffen. Dabei feuerten sie Hunderte Granaten und Raketen in die Altstadt, die Zitadelle und andere Gebiete, in denen ebenfalls viele Zivilisten leben. Kampfjets der syrischen Armee und nach Angaben von Rebellen auch die russische Luftwaffe bombardierten wie schon in den Tagen und Wochen zuvor Viertel im Osten der Stadt. Ein zwischenzeitlich einseitig von der Regierung ausgerufener Waffenstillstand wurde nicht eingehalten.

Aleppo ist eine der letzten großen Städte in Syrien, in denen sich die Rebellen noch halten konnten. Würde es der Regierung und den mit ihr verbündeten Milizen gelingen, die Stadt vollständig zurückzuerobern oder, wie in anderen Orten zuvor, einen Abzug der Kämpfer zu erzwingen, wäre dies eine schwere Niederlage für die Regierungsgegner. In Aleppo sind Einheiten der Freien Syrischen Armee und islamistischer Gruppen vertreten, dazu nach Einschätzung von Geheimdiensten eine kleine dreistellige Zahl von Kämpfern der Nusra-Front, des syrischen Ablegers des Terrornetzwerks al-Qaida. Deren Präsenz hat Russland immer wieder als Rechtfertigung für Angriffe vorgebracht, ungeachtet dessen, dass die anderen Gruppen in der Stadt von einer offiziell noch geltenden Waffenruhe umfasst sind, die Russland und die USA im Februar ausgehandelt hatten. In einer möglichen Runde weiterer Verhandlungen zwischen dem Regime und der Opposition unter UN-Vermittlung in Genf würde die Position der Regierung durch militärische Erfolge in Aleppo weiter gestärkt.

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