Syrien:Moskaus Bomber bleiben am Boden

Russland unterbricht seine Luftangriffe auf Aleppo, am Mittwoch sollen auch am Boden die Waffen für acht Stunden schweigen. Diese Frist gibt Moskau den Rebellen, um aus dem von ihnen kontrollierten Ostteil der Stadt abzuziehen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Russland hat nach den Worten von Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstagmorgen vorerst seine Luftangriffe auf den von syrischen Rebellen gehaltenen Osten Aleppos eingestellt. Dies geschehe in Vorbereitung einer für Donnerstag angekündigten achtstündigen Waffenruhe, sagte er. Während dieser sollten die Rebellen die von ihnen kontrollierten Gebiete über zwei eigens eingerichtete Korridore verlassen, für Zivilisten würden sechs weiter Korridore geöffnet. Einen Zusammenhang des Vorschlags mit der Diskussion über neue Sanktionen gegen Russland wegen des Bombardements von Aleppo stellte Kreml-Sprecher Dimitrij Peskow in Abrede.

Vizeaußenminister Sergej Riabkow sagte, die Montagabend angekündigte Waffenruhe stehe "in direktem Zusammenhang mit der Umsetzung von Vorschlägen des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura". Der hatte sich angeboten, Kämpfer der Fateh al-Scham aus der Stadt zu begleiten, der einstigen Nusra-Front. Mit der Präsenz dieses Ablegers der Terrorgruppe al-Qaida rechtfertigt Moskau sein Bombardement Aleppos, auch wenn Angriffe regelmäßig eindeutig zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser treffen. Schoigu dagegen forderte den Abzug der "bewaffneten Gruppen" ohne eine Einschränkung zu machen. So war zunächst nicht klar, ob Moskau nun den Abzug aller Rebellen verlangt, oder nur der Nusra-Front. Riabkow sagte, in Genf sollten von Mittwoch an technische Experten beraten, wie die als terroristisch eingestufte Gruppe von den anderen getrennt werden könne.

200 oder doch 800? Wie viele der Kämpfer in Aleppo zum Ableger von al-Qaida gehören, ist unklar

Nach UN-Angaben gehören weniger als 900 der 8000 bewaffneten Assad-Gegner in der Stadt der Gruppe an. Französische Diplomaten erklärten vergangene Woche, sie hielten diese Zahl für deutlich zu hoch, es seien 200 oder noch weniger. Kommandeure mehrerer Rebellengruppen lehnten einen Abzug aus der Stadt ab. "Das käme einer Kapitulation gleich", sagte ein Sprecher der zur Freien Syrischen Armee zählenden Gruppe Fastaqim. Ein Sprecher der islamistischen Ahrar al-Scham kündigte an, seine Gruppe werde weiterkämpfen. Die Rebellen bestreiten, dass die Nusra-Front eine nennenswerte Präsenz hat.

Die Reaktionen auf Moskaus Ankündigung fielen verhalten aus. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, acht Stunden Waffenruhe "reichen bei Weitem nicht aus, um den dringend erforderlichen humanitären Zugang zu ermöglichen. Mehr ist möglich, und mehr ist auch ein Gebot der Menschlichkeit." Die UN begrüßten die russischen Vorschläge grundsätzlich. Sie bräuchten aber klare Sicherheitsgarantien, um Hilfsgüter nach Aleppo zu bringen und Verletzte herauszuholen, sagte Jens Laerke vom Büro des UN-Nothilfekoordinators. "Bislang haben wir solche Garantien von keiner Seite erhalten." Es liege jetzt an Russland, seine Vorschläge zu erläutern. Die UN fordern Feuerpausen von mindestens 48 Stunden.

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