Syrien-Konflikt:Damaskus droht bei "ausländischer Aggression" mit Chemiewaffen

Die Führung in Damaskus will im Falle eines militärischen Eingreifens des Auslands auch chemische Waffen verwenden. Gegen die eigene Bevölkerung dagegen würden sie "niemals" eingesetzt. Das Angebot der Arabischen Liga für einen Rückzug von Staatschef Assad im Gegenzug für freies Geleit lehnt das Regime ab.

Syrien hat den Einsatz seiner Chemiewaffen nicht völlig ausgeschlossen. In der gegenwärtigen Krise würden sie nicht benutzt, es sei denn, es gebe eine "Aggression von außen", sagte Dschihad Makdissi, Sprecher des Außenministeriums, am Montag.

Die Chemiewaffen würden unter Aufsicht der Streitkräfte gelagert und gesichert, fügte er hinzu. "Die Generäle werden entscheiden, wann und wie die Waffen benutzt werden."

Damit hat die syrische Regierung zum ersten Mal offiziell den Besitz von Chemie- und Biowaffen eingeräumt. Sie würden jedoch niemals gegen die eigenen Bürger eingesetzt, erklärte Makdissi. Syrien werde niemals Chemie- oder Biowaffen "während der Krise in Syrien" einsetzen, "egal, wie die Entwicklung innerhalb Syriens ist", erklärte er.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte die syrische Drohung, scharf. Diese sei "ungeheuerlich" und enthülle ein weiteres Mal die "menschenverachtende Denkart" der Führung in Damaskus, erklärte Westerwelle in Berlin. Er forderte zugleich "alle Kräfte" in Syrien auf, verantwortlich zur Sicherung etwaiger Chemiewaffenbestände beizutragen.

In den vergangenen Wochen waren Befürchtungen laut geworden, die Regierung könnte die Waffen gegen Regimegegner anwenden oder diese könnten in die Hände von Rebellen gelangen. Experten gehen davon aus, dass Syrien im Besitz von Nervenkampfstoffen, Senfgas sowie Scud-Raketen ist, mit denen die Chemikalien verbreitet werden können. Dazu kommen hochentwickelte konventionelle Waffen wie Panzerabwehrraketen und tragbare Flugabwehrraketen.

Aus US-Geheimdienstkreisen verlautete, dass Syrien Chemiewaffen vom Norden des Landes, wo heftige Kämpfe toben, verlagert habe. Damit hätten die Waffen einerseits gesichert und andererseits zusammengelegt werden sollen, aus US-Sicht ein verantwortungsvoller Schritt. Andererseits sei in allen Einrichtungen eine erhöhte Aktivität festzustellen, was als beunruhigend gewertet wurde.

Makdissi erklärte außerdem, die Lage in der Hauptstadt, wo Aufständische ganze Stadtviertel unter ihre Kontrolle gebracht hatten, verbessere sich. Die Situation werde sich innerhalb von Tagen normalisieren.

Zugleich wies er die Forderungen nach einem Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens zurück. Eine Entscheidung über einen Abtritt sei Sache des syrischen Volkes.

Die Arabische Liga hatte Assad zuvor aufgefordert, sich "schnell" von der Macht zurückzuziehen. Nach einem Treffen der Außenminister der Liga erklärte Katars Außenminister und Regierungschef Scheich Hamad Ben Dschassem al-Thani, Assad müsse die "Zerstörung und das Töten" durch eine "mutige" Entscheidung beenden. Im Gegenzug könnten Assad und seine Familie das Land auf "sicherem Weg verlassen".

193 Millionen US-Dollar werden gebraucht

Die Europäische Union bereitet sich derweil wegen des Bürgerkriegs auf einen Flüchtlingsansturm vor. Wenn die Menschen in den Nachbarländern nicht ausreichend Hilfe fänden, würden sie weiterziehen, sagte die zyprische Innenministerin Eleni Mavrou beim Treffen der EU-Innenminister in der zyprischen Hauptstadt Nikosia.

Smoke caused by artillery shelling in the Syrian village called J

Von den Golanhöhen aus beobachtet dieser Israeli die Geschehnisse in Syrien auf der anderen Seite der Grenze.

(Foto: dpa)

Europäer, Amerikaner und andere Drittstaatler sollen dann im Notfall nach Zypern in Sicherheit gebracht werden. Mehrere EU-Regierungen, darunter auch die Bundesregierung, hätten inzwischen Experten nach Nikosia geschickt, um die Betreuung ihrer Landsleute zu organisieren.

Die EU-Minister diskutierten bei dem Treffen über die Unterstützung von Flüchtlingen in Syriens Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien und Irak, wo rund registrierte 120.000 Menschen gestrandet sind. Andere Schätzungen gehen von bis zu 300.000 Flüchtlingen in den Nachbarländern aus. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR forderte von den EU-Ländern mehr finanzielle Hilfe. Nach UN-Schätzung werden aktuell 193 Millionen US-Dollar (159 Millionen Euro) gebraucht - bislang sei nur ein Bruchteil davon zusammengekommen, auch wegen der Schuldenkrise in Europa.

Die Europäer haben von dem Flüchtlingsstrom aus Syrien bisher kaum etwas gemerkt. Seit Ausbruch des Konflikts vor beinahe 17 Monaten registrierten die EU-Länder laut Statistikamt Eurostat lediglich 12.000 Asylbewerber syrischer Herkunft.

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