Syrien-Konferenz:Damit mehr Menschen überleben

Report: Aid arrives in Homs as civilians evacuated

Hilfe für Zivilisten in Homs: Mitarbeiter von Hilfsorganisationen kümmern sich um ein Baby.

(Foto: dpa)

Über die Dauer von "humanitären Waffenruhen" in Syrien macht sich niemand Illusionen. Trotzdem ist es wichtig, dass bei der zweiten Verhandlungsrunde in Genf wieder darüber gesprochen wird. Nur so kann selbst im Krieg ein Minimum an Menschlichkeit erhalten werden.

Ein Kommentar von Tomas Avenarius, Kairo

Als die russische Armee im Winter 2000 Grosny belagerte, konnte man an den Kellertüren der zerbombten Häuser Kreideaufschriften lesen: "Hier leben Menschen!" Unten fanden sich alte Frauen, Kranke, Schwache, Kinder. Diese Wehrlosen überlebten den Horror des Kriegs, bis die tschetschenischen Rebellen vor der russischen Übermacht am Ende aus der Stadt flohen. Die Kellermenschen hatten Hundefleisch gegessen in ihrer Not, dürre Wurzeln ausgekocht, abgestandenes Wasser aus den Spülkästen der Toiletten getrunken.

Ähnlich dürfte es im syrischen Homs zugehen. Die Stadt wird seit eineinhalb Jahren von der Armee belagert. Immer noch kontrollieren die Aufständischen einzelne Viertel, nehmen die Bevölkerung ebenso zur Geisel, wie es die Belagerer tun: In Homs verhungern Menschen. Das schert die Kriegsparteien nicht. Warum auch?

Syriens Staatschef Baschar al-Assad betrachtet das Leid der Zivilisten als nützlich, es entzieht den Rebellen den Rückhalt. Die Aufständischen missbrauchen die alten Männer und Frauen ebenso gezielt, als lebende Schutzschilde. Dürften sie Homs verlassen, könnte Assad eine Offensive gegen die paar Tausend Oppositionellen starten, die kaum Waffen und Munition haben.

Schüsse fallen, Granaten explodieren

Angesichts dieser Situation, in der beide Seiten mit dem Leid der Einwohner von Homs kalkulieren, ist es kein Wunder, dass die "humanitäre Waffenruhe" brüchig ist, während derer die Vereinten Nationen und der Rote Halbmond die Zivilisten wenigstens mit dem Allernötigsten versorgen wollten: Brot, Medikamente, Decken, Seife.

Ein paar Hundert Frauen, Kinder und ältere Männer konnten die Stadt in UN-Bussen verlassen, einem kleinen Teil der zurückbleibenden zweieinhalbtausend Menschen gaben die Helfer Care-Pakete. Dann fielen Schüsse, explodierten Granaten. Die Kriegsparteien beschuldigten sich gegenseitig. Auch das finden beide Seiten nützlich. Es setzt den Feind vor aller Welt in schlechtes Licht.

Wenn sich die Vertreter der Kriegführenden am Montag in Genf zur zweiten Runde ihrer "Friedensgespräche" treffen, wird es auch wieder um Homs und um andere umkämpfte Städte wie Aleppo gehen. Die UN und die anderen Vermittler werden wieder versuchen, sowohl Assad als auch die Rebellen auf humanitäre Waffenruhen zu verpflichten, über deren Dauer sich keiner Illusionen macht.

Wichtig ist es trotzdem: Einige Menschen mehr werden überleben, und die Kämpfenden werden in eine Pflicht genommen, der sie sich zunächst nicht entziehen können. Mit Druck von außen kann selbst im Krieg ein Minimum an Menschlichkeit erhalten, ein Mindestmaß an Vertrauen erreicht werden.

Spielfeld fremder Mächte

Dem Frieden in Syrien kommt man mit diesem Mindestvertrauen allerdings kaum näher. Syriens Bürgerkrieg ist das Spielfeld anderer Mächte: Amerikaner, Russen, Iraner, Türken, Araber. Moskau und Teheran stehen geschlossen hinter Assad, die Unterstützerfront der Rebellen hingegen hat Lücken. Die westlichen Parteigänger der Aufständischen wollen Assad loswerden, fürchten aber die Al-Qaida-Islamisten in den Reihen der Opposition.

Staaten wie Saudi-Arabien dagegen zeigen selbst gegenüber den radikalsten unter den Korankriegern kaum Berührungsängste; sie setzen auf das eine Übel im Kampf gegen das andere. Die Türken haben keine klar erkennbare Syrien-Politik mehr. Zusammengenommen schwächt das die Anti-Assad-Opposition.

Wer in Genf die Fäden zugunsten der Aufständischen ziehen will, sollte vorher genau wissen, was er will. Sonst bleibt ihm im Ringen zwischen dem Präsidenten und den Aufständischen nichts außer dem Beharren auf kurze Phasen der Menschlichkeit. Sind die zu Ende, geht der Bürgerkrieg gnadenlos weiter.

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