Syrien:IS-Miliz bedroht Weltkulturerbe in Palmyra

Islamisten sind in die syrische Oasenstadt vorgerückt, die Unesco befürchtet einen "enormen Verlust für die Menschheit". Die Terrormiliz kontrolliert mittlerweile die Hälfte Syriens.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat in Syrien die strategisch wichtige Stadt Tadmur eingenommen - und mit ihr offenbar auch die angrenzende historische Oasenstadt Palmyra. Damit wächst die Sorge, dass die Dschihadisten auch diese von der Unesco als Weltkulturerbe eingestufte archäologische Stätte zerstören könnten, wie schon die antiken Städte Nimrud und Hatra im Irak und andere Kulturschätze. Unesco-Chefin Irina Bokowa warnte vor einem "enormen Verlust für die Menschheit" und forderte den UN-Sicherheitsrat auf, sich des Themas anzunehmen. "Wir brauchen die totale Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft", sagte sie.

Nach Berichten von Aktivisten und Augenzeugen in Syrien sind Kämpfer der Terrormiliz auch auf das Gelände mit den Ruinen vorgedrungen, die zum Teil mehr als 2000 Jahre alt sind. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete am Donnerstag, dass die Dschihadisten in Palmyra mindestens 17 Menschen getötet haben.

Darunter seien Mitglieder der syrischen Sicherheitskräfte und Zivilisten. Um Tadmur gab es seit mehreren Wochen schwere Kämpfe. Der Islamische Staat machte sich dabei zunutze, dass das Regime Anfang Mai Truppen abgezogen hatte, um Einheiten in der Provinz Idlib zu verstärken. Dort hatte die mit al-Qaida verbundene Nusra-Front sich mit gemäßigten Rebellengruppen verbündet. Hatte Damaskus noch Anfang der Woche Tadmur für sicher erklärt, wichen regierungstreue Milizen und Einheiten der Armee und Polizei in der Nacht zum Donnerstag vor den Angreifern zurück. Bewohner der Stadt berichteten von Luftangriffen des syrischen Militärs auf Stellungen der Dschihadisten in der Stadt. Es gelang dem Islamischen Staat allerdings offenbar, am Donnerstag seine Kontrolle über die Gegend zu festigen. Tadmur ist die erste Stadt, die der IS direkt von Truppen des Regimes erobert hat. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kontrolliert die Terrormiliz mittlerweile etwa die Hälfte des syrischen Territoriums. Zuletzt war es den Dschihadisten auch gelungen, im Irak Ramadi einzunehmen. Diese militärischen Erfolge wecken Zweifel an Aussagen der Regierung in Bagdad und auch der Amerikaner, wonach der Islamische Staat geschwächt worden sei. Eine von den USA geführte internationale Koalition fliegt Luftangriffe gegen den IS. In Syrien beschränken sich diese aber auf Gebiete, die nicht unter Kontrolle der Regierung sind. Sowohl das Regime als auch die Koalition lehnen eine Kooperation oder eine Abstimmung der Angriffe ab. In Irak war es Regierungstruppen und schiitischen Milizen Mitte April nach sechswöchigen schweren Kämpfen gelungen, die sunnitischen Ultra-Extremisten aus Tikrit zu verjagen und damit die erste Großstadt des Landes vom Islamischen Staat zu befreien. Einer angekündigten Offensive zur Rückeroberung der Provinz Anbar aber kamen die Dschihadisten mit Angriffen auf Ramadi zuvor. Luftangriffe der Koalition konnten nicht abwenden, dass die Extremisten die Stadt schließlich überrannten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: