Syrien:Hoffnung am Tisch

Die Staaten, die in Wien über den Syrien-Krieg beraten, können dem Land keine schnelle Lösung bieten. Aber allein dass dort auch alte Feinde zusammenkommen, ist schon ein Fortschritt.

Von Stefan Braun, Wien

Vielleicht bekommt Syrien doch noch eine Chance auf Frieden. Viereinhalb Jahre nach Ausbruch des Bürgerkriegs, bei dem mehr als 250 000 Menschen getötet wurden, haben in Wien erstmals alle regionalen Konfliktparteien an einem Tisch über einen Ausweg beraten. Dazu gehörten auch die verfeindeten Staaten Iran und Saudi-Arabien.

Am selben Tag, an dem US-Präsident Barack Obama eine Verstärkung der Luftangriffe gegen die Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) ankündigte, ist damit zum ersten Mal die Chance entstanden, dass sich auch tief zerstrittene Unterstützer verschiedener Konfliktparteien in Syrien an einer Konfliktlösung beteiligen. Dass die Syrer selber in Wien fehlten, hatten Amerikaner und Russen bewusst so entschieden. Bislang werden Regime und Opposition durch andere Staaten wie Iran, Saudi-Arabien und Katar am Leben gehalten. Deshalb ist es für ein Ende des Krieges entscheidend, dass alle, die den Konflikt von außen befeuern, für die Friedenssuche verpflichtet werden.

Ein Durchbruch ist bei dem Treffen nicht erreicht worden, dennoch ist die Begegnung eine Zeitenwende im Nahen Osten. Das gilt umso mehr, wenn es gelingen sollte, den Rahmen des Wiener Treffens als Blaupause für weitere Gespräche zu nutzen. Schon in zwei Wochen soll das nächste Treffen dieser Art stattfinden, vermutlich wieder in Wien.

Zur neuen Zeit gehört, dass die Wiener Gespräche von Amerikanern und Russen gemeinsam angestoßen wurden. US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow saßen in Wien gemeinsam am Kopfende des Tisches, und beide teilten sich die Aufgabe, Saudis und Iraner nach Wien zu lotsen. Insbesondere die Teilnahme Teherans zeigt, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Bislang war das schiitische Land von allen Gesprächen ausgeschlossen worden. So gut wie alle arabischen Staaten hatte eine Teilnahme Teherans abgelehnt, weil es an der Seite des Regimes von Assad steht. Die USA und einige arabische Verbündete hatten zudem den Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad lange Zeit zur Bedingung für derartige Verhandlungen gemacht. Doch Russlands Eingreifen in Syrien und die Angst vor einem Zerfall des Landes haben die Lage geändert.

Syrien: Unterirdische Lage: Während in Wien über Syrien verhandelt wird, schätzt sich im umkämpften Aleppo froh, wer einen Unterschlupf hat.

Unterirdische Lage: Während in Wien über Syrien verhandelt wird, schätzt sich im umkämpften Aleppo froh, wer einen Unterschlupf hat.

(Foto: Karam Al-Masri/AFP)

Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten, aber auch die Türkei und die USA mussten erkennen, dass ihre lange gehegte Hoffnung, die syrischen Rebellen könnten Assad stürzen, nicht mehr aufgehen würde. Immer deutlicher zeigt sich zudem, dass die Terrormiliz IS bislang weder von der westlichen Allianz unter Führung der USA noch von den russischen Luftangriffen entscheidend geschwächt wurde. Umso mehr wächst die Sorge, dass Syrien zersplittert werden könnte - mit fatalen Folgen für die Nachbarn.

Auch deshalb hat US-Präsident Obama eine Ausweitung der amerikanischen Bombardements beschlossen; und auch deshalb hat sich bei vielen die Sicht auf Assad ein klein wenig geändert. Ein arabischer Diplomat sagte in Wien: ,,Es gibt für Syrien keinen Waffenstillstand ohne Assad und keinen dauerhaften Frieden mit Assad.'' Obwohl die Saudis den Ruf nach einem schnellen Ende Assads wiederholten, wurde die Frage nach seiner Zukunft in Wien ausgeklammert.

250 000 Menschen

sind seit Beginn des Syrien-Konflikts im März 2011 umgekommen. 13,5 Millionen Syrer sind nach UN-Angaben inzwischen auf humanitäre Hilfe angewiesen. 6,5 Millionen Menschen sind innerhalb Syriens auf der Flucht, weitere 4,2 Millionen haben wegen des Krieges das Land verlassen. Die meisten von ihnen leben in Flüchtlingslagern in Syriens Nachbarländern.

Hoffnung macht Amerikanern, Russen, Deutschen und den meisten anderen zudem, dass man sich auf Grundsätze für weitere Gespräche verständigen konnte. Dazu gehört neben dem Ziel, Syrien in seinen jetzigen Grenzen zu erhalten, auch der Anspruch, das Land als säkulares Land zu bewahren, seine staatlichen Strukturen zu erhalten und die Rechte aller Syrer, unabhängig von Religion und Herkunft, zu schützen. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung hervor, die am Ende von allen mitgetragen wurde. Zu ihnen gehörten neben den fünf UN-Veto-Mächten viele arabische Staaten, die Türkei, Deutschland, Italien und die EU.

Wie Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, wurde in zwei weiteren Punkten Einigkeit erzielt. So soll der Einsatz von Fassbomben beendet und der Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen in bislang unerreichbare, weil umkämpfte Gebiete möglich gemacht werden. Beides ist längst in UN-Sicherheitsratsresolution beschlossen; beides aber muss Russland gegenüber dem Assad-Regime erst durchsetzen.

Zufrieden sein dürfte auch der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura. Er erhielt, anders als in vielen Monaten zuvor, Rückendeckung für seine Pläne, Arbeitsgruppen zu bilden, in denen Vertreter des Regimes und der Opposition über die Bildung einer Übergangsregierung und die Vorbereitung von Wahlen verhandeln sollen. Amerikaner, Russen und alle anderen haben sich auf diese Ziele verständigt. Auch wenn all das bislang nur auf dem Papier steht - es ist mehr, als die meisten vor Wien erwartet hatten.

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