Syrien: Geschäftsmann kündigt Rückzug an:Assad macht reichen Cousin zum Bauernopfer

Der syrische Milliardär Rami Machluf steht für Raffgier und Korruption. Nun hat der Cousin von Präsident Assad seinen Rückzug aus der Geschäftswelt angekündigt - Beobachter werten dies als Zugeständnis Assads an die syrischen Demonstranten. Doch im Nordwesten des Landes gibt es Anzeichen, dass das Regime seine Militäroffensive gegen die Protesthochburgen ausweitet.

Einer der einflussreichsten syrischen Unternehmer, ein Cousin von Präsident Baschar al-Assad, soll sich nach massiven Protesten gegen die Regierung und ihre Vetternwirtschaft aus der Geschäftswelt zurückziehen. Einen Teil seines Vermögens werde Rami Machluf in Wohltätigkeits- und Entwicklungshilfeprojekte stecken, kündigte die staatliche Nachrichtenagentur Sana an. Sein 40-Prozent-Anteil an Syriens größtem Mobilfunkkonzern Syriatel werde an die Börse gebracht und der Gewinn unter anderem an die Hinterbliebenen der Menschen verteilt, die bei den Protesten ums Leben gekommen sind.

Beobachter sehen in dieser Ankündigung einen Versuch, der Protestwelle gegen Präsident Baschar al-Assad die Spitze zu nehmen. Denn aus Sicht der Demonstranten, die seit drei Monaten in dem arabischen Land für mehr Demokratie auf die Straße gehen, steht Machluf für Raffgier und Korruption, er ist eine der zentralen Hassfiguren der Demokratiebewegung.

Machluf hat ein weitverzweigtes Wirtschaftsimperium geschaffen, einige seiner Unternehmen sind de facto Monopole. Er kontrolliert Telekom-, Luftfahrt-, Öl-, Bau-, Import- und Immobilienfirmen. Der Geschäftsmann ist ein enger Vertrauter von Assad, die beiden sind seit ihrer Kindheit Freunde.

Die USA werfen Machluf Korruption vor und halten seit mehreren Jahren Sanktionen gegen ihn aufrecht, die Europäische Union zog im Mai nach. Machluf hat alle Vorwürfe von sich gewiesen. Bis vor drei Monaten, also noch vor Beginn der Proteste in Syrien, wäre Kritik an dem Großindustriellen undenkbar gewesen.

Die offizielle Meldung über seinen Rückzug gab die Regierung am Donnerstagabend heraus - offenbar in der Hoffnung, die für diesen Freitag angekündigten Proteste zu verhindern. Doch die Gegner zeigten sich unbeeindruckt: Auf den Websites der Opposition wurde die Ankündigung als "unglaubwürdiges Theater" bezeichnet.

Die Protestbewegung hat für diesen Freitag zu Demonstrationen unter dem Motto "Freitag für Scheich Salih al-Ali" aufgerufen. Damit versuchen sie nach Einschätzung von Beobachtern, auch regimekritische Alawiten mit ins Boot zu holen. Bislang sind die sunnitischen Muslime die tragende Säule des Aufstandes gegen das Assad-Regime.

Nach Angaben von Menschenrechtlern ließ Assad auch an diesem Freitag wieder auf Demonstranten schießen. Bei dem gewaltsamen Vorgehen gegen die Proteste in der syrischen Hafenstadt Banias seien mehrere Menschen getötet worden, teilte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, in London mit.

Assads Truppen umzingeln Stadt im Nordwesten

Die Assad-Führung versucht seit einem Vierteljahr die Proteste zu unterdrücken - mit brutalen Methoden. Nach Angaben von syrischen Menschenrechtsgruppen wurden bislang 1300 Zivilisten und mehr als 300 Soldaten und Polizisten getötet. Vor allem im Norden hat die Armee eine regelrechte Offensive gegen Widerstandshochburgen gestartet. Tausende Syrer sind deshalb auf der Flucht, viele sind geflohen und harren derzeit in Flüchtlingslagern in der Türkei aus.

Ein Augenzeuge aus der syrischen Stadt Maarat al-Noaman berichtete dem arabischen TV-Sender al-Dschasira, die Armee habe alle Zufahrtstraßen blockiert und bereite sich offensichtlich auf eine größere Operation in der Stadt vor. Dort hatte es zuletzt große Proteste gegen das Regime gegeben. Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärten zwei Aktivisten, dass die syrischen Truppen die Stadt bereits eingenommen hätten. Offen ist, ob es Tote oder Verletzte gab.

Merkel und Sarkozy werben für Syrien-Resolution

Am Vortag hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den syrischen Präsidenten erneut zu einem Ende der Gewalt aufgerufen. Assad solle "aufhören, Menschen zu töten", sagte Ban vor Journalisten in Brasilien. Stattdessen gelte es, "in einen Dialog zu treten und mutige Maßnahmen zu treffen, bevor es zu spät ist".

Trotz des Widerstands Russlands und anderer Länder streben Deutschland und Frankreich weiterhin eine gemeinsame Syrien-Resolution des UN-Sicherheitsrats an. Dazu wolle man auch "gemeinsam mit Russland" reden, kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Berlin an. "Wir versuchen auf allen Ebenen, dass wir hier vorankommen." Die Kanzlerin sprach von "Gewalt gegen die Bevölkerung in einer Art und Weise, die nicht akzeptabel ist". Auch Syriens Nachbarland Türkei, wohin bereits mehrere tausend Syrer geflohen sind, sei in die Gespräche eingebunden.

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