Syrien:Gegengewicht zu Iran

Nach ihrem ersten gemeinsamen Treffen auf dem G-20-Gipfel einigten sich die USA und Russland auf eine Feuerpause in Syrien. Der russische Präsident Putin lobte die US-Politik unter Präsident Donald Trump als "deutlich pragmatischer".

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

In der Nacht zum Sonntag noch fielen Bomben auf Daraa, jene Stadt im Süden Syriens, in der vor bald sechs Jahren der Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad begonnen hatte. Von Mittag an war es ruhig. In den vergangenen Wochen hatte die Region schwere Kämpfe zwischen Rebellen und dem Regime erlebt; Granaten waren sogar in Jordanien eingeschlagen. Jetzt gilt für die Provinz ebenso wie für Quneitra und Teile von Suweida eine Waffenruhe, ausgehandelt von den USA, Russland und Jordanien. US-Diplomaten sind noch vorsichtig, weil vieles in der Umsetzung unklar ist, aber die lokale Waffenruhe könnte Basis werden für weitere Zusammenarbeit: US-Außenminister Rex Tillerson hat Russland Koordination bis hin zu Flugverbotszonen und "gemeinsamen Mechanismen zur Sicherung von Stabilität" angeboten, mit denen das "Fundament für Fortschritte zu einer Lösung der politischen Zukunft Syriens" gelegt werden könnten.

Aus russischer Sicht sind die USA unter Präsident Donald Trump "deutlich pragmatischer" geworden, wie es Präsident Wladimir Putin in Hamburg formulierte, wo er Trump zum ersten direkten Gespräch getroffen hatte - bei dem Syrien laut Diplomaten großen Raum einnahm. Washington gibt der Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Priorität, der Sturz Assads ist mindestens offiziell nicht mehr Ziel. Zugleich sind Konflikte mit dem Regime durch die von den USA unterstützte Offensive der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) unausweichlich. Tillerson hat klargemacht, dass die USA nicht zulassen werden, dass das Regime Gebiete einnimmt, die zuvor von ihnen unterstützte kurdische und arabische Kräfte vom IS freigekämpft haben; US-Kampfjets griffen deshalb wiederholt regimetreue Einheiten an und schossen mehrere iranische Drohnen ab und sogar ein syrisches Kampfflugzeug.

Assad und die von Iran kontrollierte Hisbollah haben Truppen aus dem Norden abgezogen, um im Gebiet von Deir al-Sour und Richtung irakische Grenze ihren Einfluss zu sichern. Iran versucht, eine Landbrücke durch den Irak und Syrien bis nach Libanon zu schaffen und damit neue Versorgungswege für die Hisbollah. Zudem sollen die Milizen im Irak und in Syrien auf Dauer präsent bleiben und Irans politischen und militärischen Einfluss dort sichern.

Westliche Diplomaten sehen eine gewisse Bereitschaft Russlands, mit den Amerikanern zusammenzuarbeiten und deren Engagement in Westen und Süden des Landes als Gegengewicht zu Iran zu nutzen. Das Assad-Regime hat immer wieder seine beiden Schutzmächte gegeneinander ausgespielt, oft zum Ärger der Russen. Die Waffenruhe ist letztlich auch ein Versuch, die von Iran kontrollierten Milizen in den Griff zu bekommen. Die USA sind allerdings wegen der Zusammenarbeit mit den kurdischen YPG-Milizen im Kampf gegen den IS in einer schwierigen Lage. Türkische Artillerie feuerte in den vergangenen Wochen immer wieder Granaten in den Kurden-Kanton Afrîn im Norden Syriens; der Nato-Verbündete sieht die YPG als Terrorgruppe und verlängerten Arm der PKK. Die YPG befürchten nun einen Einmarsch türkischer Truppen. Sie würden dann wohl gezwungen sein, Tausende Kämpfer von der IS-Front in Raqqa abzuziehen, um Afrîn zu verteidigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: