Syrien:Friedensgespräche in Gefahr

Vor einer neuen Verhandlungsrunde in Genf wird in dem Bürgerkriegsland mit solcher Heftigkeit gekämpft wie seit langem nicht mehr. Ob die Rebellen Moskau so unter Druck setzen können, ist fraglich.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

In Genf soll an diesem Donnerstag eine neue, von den Vereinten Nationen vermittelte Runde Friedensgespräche für Syrien beginnen. Doch in dem Bürgerkriegsland toben die Kämpfe wie seit Monaten nicht mehr. Regierungsgegner haben binnen drei Tagen eine zweite Offensive in Damaskus begonnen und eine weitere in Hama im Westen des Landes. Es ist das erste Mal seit 2012, dass die Kämpfe das Zentrum der Hauptstadt berühren, aber unwahrscheinlich, dass die Rebellen bleibende Geländegewinne erzielen können. Sie reagieren mit den koordinierten Offensiven auf anhaltende Versuche der Regierungstruppen und mit ihnen verbündeter Milizen, Vororte von Damaskus einzunehmen. Selbst eine von Russland eigens ausgerufene regionale Waffenruhe hielt sie davon nicht ab. Die Offensive soll eingeschlossenen Gebieten Entlastung verschaffen und die ohnehin überdehnten regierungstreuen Einheiten an anderen Orten binden.

Die Rebellen beschuldigen Moskau, seiner Rolle als Garantiemacht der zu Jahresbeginn ausgerufenen landesweiten Waffenruhe nicht gerecht zu werden. De facto ist die inzwischen zusammengebrochen, was Rückwirkungen auf Genf haben wird. Die Rebellen hatten deswegen schon eine Gesprächsrunde Mitte des Monats in der kasachischen Hauptstadt Astana boykottiert. Dort sollte es unter Führung Russlands und der Türkei um die Stabilisierung dieser Feuerpause gehen. Iran wurde bei dem Treffen zur dritten Garantiemacht erhoben, was das Misstrauen der Rebellen nur stärken dürfte. Teheran ist noch vor Russland der wichtigste Unterstützer des Regimes von Präsident Baschar al-Assad.

Vier Punkte stehen in Genf auf der Tagesordnung. Zur Sprache kommen dürfte nur einer

Allerdings ist fraglich, ob die Rebellen mit den neuen Offensiven ihr erklärtes Ziel erreichen können, Moskau dazu zu bringen, die Feuerpause besser durchzusetzen und ihre Verhandlungsposition in Genf zu stärken. Ein Motiv für die Offensiven ist augenscheinlich, dem vom Regime verbreiteten Eindruck entgegenzutreten, dass es nach der Eroberung Aleppos dabei ist, den Krieg militärisch zu gewinnen. Erschwert wird das Vorhaben der Rebellen dadurch, dass in beiden Fällen Gruppen aus dem moderaten und islamistischen Spektrum ihre Angriffe offenbar mit Brigaden koordiniert haben, die einer vom syrischen al-Qaida-Ableger Jabhat Fateh al-Scham dominierten dschihadistischen Allianz angehören. Russland und das Regime haben solche Kooperationen schon in der Vergangenheit als Vorwand benutzt, um unterschiedslos alle Regierungsgegner zu attackieren, so beim Sturm auf Ost-Aleppo.

Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura versucht, nach einem Besuch im saudischen Riad durch Konsultationen in Ankara und in Moskau ein Scheitern der Genfer Gespräche zu vermeiden. Er wollte laut einer Sprecherin erst am Abend oder am Freitag persönlich teilnehmen. Saudi-Arabien und die Türkei unterstützen die Rebellen, Ankara arbeitet zugleich mit Moskau zusammen. De Mistura hatte die Konfliktparteien zu Verhandlungen in vier Bereichen verpflichtet und sich dafür Unterstützung des UN-Sicherheitsrates geholt. Sie sollen über einen glaubhaften politischen Übergang und eine neue Verfassung sprechen, die binnen 18 Monaten zu von den UN überwachten Neuwahlen führen sollen.

Zudem sollen sie über die Bekämpfung des Terrorismus sprechen - ein Punkt, der auf Druck der syrischen Regierung und Russlands aufgenommen wurde. Nach den jüngsten Anschlägen in Damaskus und den Vorstößen der Rebellen vermuten westliche Diplomaten, dass sich das Regime wie schon bisher weigern wird, die drei anderen Bereiche auch nur zu diskutieren. Zugleich vertieft die bevorstehende Offensive gegen die Hochburg der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Raqqa Meinungsverschiedenheiten zwischen der Türkei und Russland. Bei einem US-Luftangriff gegen ein Gebäude dort, offenbar eine Schule, sollen mehr als 30 Zivilisten getötet worden sein.

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