Syrien:Staatsmedien: Türkei beschießt syrische Kräfte in Afrîn

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Rauch steigt auf, nachdem offenbar türkische Artillerie syrische Milizen in Afrin bombardiert hat. (Foto: AFP)
  • Das türkische Militär hat nach Angaben staatlicher syrischer Medien mit Artilleriebeschuss auf das Einrücken syrischer Kräfte im nordsyrischen Kurdengebiet Afrîn reagiert.
  • Am Montag hatten die kurdischen YPG-Milizen bekanntgegeben, sie hätten einen Deal mit der Regierung in Damaskus geschlossen.
  • Zweiter großer Kampfschauplatz in Syrien ist derzeit das Rebellengebiet Ost-Ghuta, in dem innerhalb von zwei Tagen fast 250 Menschen ums Leben kamen.

Im Norden Syriens bahnt sich ein offener Konflikt zwischen der Türkei und der syrischen Regierung an. Nach der Entsendung regierungsnaher syrischer Kämpfer in die von Kurden kontrollierte Region Afrîn hat die Türkei das Gebiet nach syrischen Regierungsangaben bombardiert. Das meldete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana. Im regierungsnahen TV-Sender Al-Mayadeen war eine Explosion zu sehen. Es habe sich um einen türkischen Angriff gehandelt, berichtete der Sender.

Die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, die türkische Artillerie habe Warnschüsse abgegeben. Die syrischen Kämpfer hätten sich daraufhin zehn Kilometer von der Stadt Afrîn zurückgezogen. Kurz zuvor waren erste syrische Truppen in der Region eingerückt, wie die Kurdenmiliz YPG bestätigte. Die Einheiten sollten sich an der Verteidigung der Einheit Syriens und der Grenzen des Landes beteiligen. Die Kurden wollen so einen Angriff der Türkei stoppen. Die Türkei hatte die Assad-Regierung gewarnt, in die kurdische Enklave zu kommen. Dort hat Ankara vor einem Monat eine umfassende Offensive gestartet, um die Kurdenmiliz YPG zu vertreiben.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte am Dienstag an, in den kommenden Tagen die syrische Stadt Afrîn unter militärische Belagerung zu stellen. Das sagte er vor der Fraktion der Regierungspartei AKP in Ankara. Auf diese Weise werde die Hilfe von außen blockiert und die "Terrororganisation wird nicht mehr die Möglichkeit haben, mit jemandem einen Handel einzugehen".

Die türkische Armee geht seit einem Monat gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Afrîn vor, kommt bislang aber nur langsam voran. Am Montag hatten die kurdischen Kämpfer bekanntgegeben, sie hätten einen Deal mit der Regierung in Damaskus geschlossen, um ihre Kräfte gegen Ankara zu bündeln. Die syrische Armee werde Grenzposten in der Region stationieren, sagte der hochrangige Kurdenvertreter Badran Jia Kurd der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag. Augenzeugen berichteten, ein Militärkonvoi habe sich auf den Weg von Aleppo nach Afrîn gemacht.

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Syrische Milizen rücken von Aleppo nach Afrîn vor. Sie sollen die Bevölkerung vor Ankaras Militäroffensive gegen die Kurden schützen.

Von Paul-Anton Krüger

Die kurdischen YPG-Milizen gelten in Ankara als Ableger der PKK und werden bekämpft. Die Kurdische Arbeiterpartei ist in der Türkei verboten und als terroristisch eingestuft, ebenso wie in der EU und den USA. Die YPG bestreiten die Vorwürfe und erklären, sie seien eigenständig.

Die humanitäre Lage verschlechtert sich zunehmend

Neben Afrin im Norden wurde am Dienstag auch wieder in dem Rebellengebiet Ost-Ghuta außerhalb der Hauptstadt Damaskus gekämpft. Bei Luft- und Artillerieangriffen der syrischen Regierung wurden dort nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte und der Ersthelferorganisation Weißhelme innerhalb von 48 Stunden fast 250 Menschen getötet. Auch zahlreiche Kinder sollen unter den Todesopfern sein. Mehr als 1200 Menschen seien demnach verletzt worden, viele davon schwer.

Nach Angaben der Beobachtungsstelle war es die opferreichste Angriffswelle auf Ost-Ghuta seit drei Jahren. Beobachter gehen davon aus, dass die Regierung damit eine Eroberung des Gebiets vorbereiten will. Acht Menschen starben bei Vergeltungsangriffen auf Damaskus.

Ost-Ghuta ist die letzte große Rebellenhochburg vor den Toren Damaskus. Dort leben allerdings auch nach wie vor rund 400 000 Zivilisten neben mehreren tausend Rebellenkämpfern unterschiedlicher Fraktionen. Die einflussreichsten dort sind die ultrakonservativen Gruppen Dschaisch-al-Islam und Failak al-Rahman.

Die Vereinten Nationen fordern eine sofortige Feuerpause

Seit einigen Monaten nimmt die Gewalt gegenüber Zivilisten an mehreren Fronten in Syrien zu. Sie ist Teil einer Strategie, mit deren Hilfe der von Russland unterstützte Präsident Baschar al-Assad die Wende in dem seit sieben Jahren anhaltenden Aufstand erzwingen will. Er lässt die Gegend seit Wochen bombardieren. Hunderte Menschen wurden dabei getötet oder verletzt.

Oppositionsaktivisten zufolge haben die Regierungseinheiten Verstärkung in die Region gebracht, um eine größere Offensive auf die letzte verbliebene Rebellenhochburg nahe Damaskus zu starten.

Die Weißhelme teilten auf ihrem Twitter-Account verstörende Szenen aus der zerbombten Stadt. Sie schrieben, die Angriffe dauerten an. "Erst hungern sie die Kinder aus, dann bombardieren sie sie", ist der verzweifelte Kommentar. Die Vereinten Nationen haben wegen der eskalierenden Gewalt eine sofortige Feuerpause gefordert.

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