Syrien-Einsatz:Den Preis der anderen in die Höhe treiben

Bundeswehr-Kampfjets starten zur ILA in Berlin

Nicht mehr nur Moralapostel: Bundeswehr-Tornados auf dem Fliegerhorst Laage bei Rostock (Bild von 2008).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Durch den Bundeswehreinsatz in Syrien sitzt Deutschland nicht mehr nur als Moralapostel am Verhandlungstisch: Der Westen tritt geschlossen auf und gewinnt Gewicht.

Kommentar von Stefan Kornelius

Kriege werden in der Regel politisch begonnen und politisch beendet. So ist es auch in Syrien, wo nun der Bundestag das Mandat für einen Bundeswehr-Einsatz erteilt. Ob das nun "Krieg" oder "Anti-Terror-Kampf" genannt wird, ist Spiegelfechterei. Der Einsatz ist gefährlich, die Menschen im Land erleben schreckliche Gewalt, und wer die Verbrennungsvideos der Terrormiliz Islamischer Staat ansieht, der kann mit Kriegsrhetorik allemal keinen Grusel mehr erzeugen.

Der Einsatz von Militär dient zumeist dazu, ein politisches Ziel zu erreichen. Nichts anderes geschieht seit Jahren in Syrien. Die Bundesregierung hat nun beschlossen, dass auch sie ihre politischen Ziele mit militärischen Mitteln vorantreiben will. Sie tut dies aus Solidarität mit Frankreich (was keine weiche, moralische Währung ist, sondern in harter politischer Münze umgerechnet wird), aber auch aus ureigenem nationalem Interesse. In Deutschland darf man sich nach einem halben Jahr Flüchtlingskrise die Frage stellen, welchen Einfluss dieser Krieg auf den gesellschaftlichen Frieden im Land hat, auf die Spannungen in Europa sowie Leid und Leben Hunderttausender Menschen.

Luftangriffe werden den IS nicht besiegen

Der Einsatz der Bundeswehr fügt sich in die Militärstrategie der USA ein, die seit September 2014 mit immer neuen Verbündeten Gestalt angenommen hat. Heute hat es diese Allianz geschafft, die territorialen Ambitionen des IS einzuhegen. Der Vormarsch der Terrormiliz ist weitgehend gestoppt. Es ist kein Zufall, dass der IS seine Schwäche in Syrien durch spektakuläre Attentate auf dem Sinai, in Paris oder Beirut zu überspielen versucht. Die diversen Luftwaffen werden den IS im Zaum halten können, besiegen werden sie ihn aber nicht.

Diese Eindämmung hat für deutliche Bewegung an anderer militärischer Front, aber vor allem auf der politischen Bühne gesorgt. Das ist in erster Linie Russland zuzuschreiben, das seinen massiven Einsatz an der Seite des syrischen Machthabers Baschar al-Assad mit heftiger Gegenwehr der sunnitisch gestützten Milizen und Aufständischen bezahlt. Der formal womöglich begründete, aber ansonsten törichte Abschuss des russischen Bombers durch die Türkei hat die Lage verkompliziert.

Mit den mächtigsten Nationen der Erde will es sich niemand verscherzen

Die militärische Eskalation der vergangenen Wochen, gepaart mit dem Terror aus Paris und dem Flüchtlingsdruck, führt dazu, dass alle Akteure in diesem verwirrenden Kriegstheater ihre Optionen ständig neu prüfen. Das Risiko steigt, der innenpolitische Preis (etwa für Russland und die Türkei) ist nicht zu unterschätzen.

Deutschlands Beitrag treibt auch den Einsatz der anderen Strippenzieher am Tisch in die Höhe. Darin liegt sein eigentlicher Wert. Berlin sitzt jetzt nicht nur als moralischer Besserwisser am Verhandlungstisch in Wien. Für einen aufgeklärten mitteleuropäischen Geist mag es seltsam klingen, aber für einen saudischen, iranischen, russischen oder türkischen Geopolitiker verändert sich die Kostenrechnung, wenn der Westen geschlossen, also auch mit Deutschland, seine Forderungen stellt. Am Ende will keiner auf der Verliererseite stehen. Am Ende sitzt das nationale Hemd näher als der Rock von Assad. Mit den mächtigsten Nationen der Erde will man es sich nicht verderben.

Der Beitrag der Bundeswehr ist dabei nicht unwichtig, aber auch nicht entscheidend. Gewichtiger ist das politische Signal. Wie das auf der Wiener Verhandlungsbühne wirkt, kann noch kein Mensch abschätzen. Ausgekämpft ist dieser Krieg noch lange nicht. Am Ende entscheidet der russische Präsident über die Dynamik: Wenn seine Interessen befriedigt sind, wenn er einen Weg zur Machtübergabe erkennen kann und wenn er die Figur Baschar al-Assad fallen lässt, dann wird dieser Krieg enden. Vielleicht wird sich dann auch der IS in alle Winde zerstreuen. Vielleicht.

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