Syrien:Diplomatisches Bauchgrimmen

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Friedenszeichen: Zwei Frauen solidarisieren sich bei einer Demonstration kurdischer, türkischer und deutscher Organisationen mit syrischen Städten. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Die Bundesregierung in Berlin ist nicht gerade glücklich über den Strategiewechsel in Ankara. Zwar gehen die Türken nun gegen den IS vor, aber gleichzeitig auch gegen die Kurden.

Von Stefan Braun

Offiziell mag der Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums kein Problem erkennen. Nicht für die kurdischen Bündnispartner im Nordirak; nicht für die 80 deutschen Ausbilder, die dort stationiert sind; nicht für die in der Südtürkei stationierten deutschen Patriot-Luftabwehreinheiten. Nein, sagt Ursula von der Leyens Sprecher Boris Nannt immer wieder, um die Deutschen und ihre Verbündeten müsse man sich keine Sorgen machen. Aus Sicht der Militärs haben die türkischen Angriffe auf IS-Terroristen nichts verändert. Und auch nicht die türkischen Bomben auf die PKK-Stellungen.

Bei den Diplomaten klingt das indes anders - auch wenn die Bundesregierung ihre Sorgen nicht laut ausspricht. So berichtet das Auswärtige Amt am Montag von einem Telefonat des eigentlich urlaubenden Außenministers mit seinem türkischen Kollegen. Darin habe Frank-Walter Steinmeier Verständnis geäußert für die schwierige Lage des Nato-Partners mit dessen immerhin 900 Kilometer langer Grenze zu Syrien. Es sei Ankaras Recht, so sagte der deutscher Außenminister, sich gegen terroristische Angriffe zur Wehr zu setzen. Doch Steinmeier hätte wohl kaum angerufen, wenn ihn nicht die Sorge umtreiben würde, dass der "so mühsam aufgebaute Friedensprozess mit den Kurden" dahin sein könnte. Sollte das passieren, "würde dies eine ohnehin komplizierte Lage nur noch schwieriger machen".

Die Grünen werfen den Türken Unterstützung des IS vor

Diplomatische Sätze sind das. Fein abgewogen. Sätze, die Bedenken ausdrücken, ohne konkret zu werden. Und als Steinmeiers Sprecherin Sawsan Chebli seine Worte erläutern soll, müht auch sie sich, sehr diplomatisch zu bleiben. Auf die Frage, was der Minister denn nun wirklich meint, spricht sie vom innertürkischen Friedensprozess und betont, dass der nicht leiden dürfe. Das dürfte klar sein. Aber dass türkische Angriffe auf die PKK auch die Kurden im Nordirak schwächen könnten, wird nicht ausgesprochen. Und dass mit den Angriffen eine wichtige, von den Deutschen gesponserte Gruppe im Kampf gegen den IS in die Defensive geraten könnte, bleibt ebenfalls unerwähnt. Berlin hat Bauchschmerzen, große sogar, will aber nicht so ganz genau über die Ursachen reden.

Das übernimmt die Opposition. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der einstige Spitzenkandidat seiner Partei, wirft Ankara vor, innenpolitische Probleme nun absichtlich mit außenpolitischen Konflikten zu verquicken. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nehme "den jetzt offenen Konflikt mit dem IS zum Vorwand, um nicht nur die PKK, sondern alle Kurden im Nordirak und in Nordsyrien zu schwächen", sagt Trittin der SZ. Aus seiner Sicht habe der Einsatz wenig mit dem IS und viel mit der neu erstarkten kurdischen Partei HDP in der Türkei zu tun. Um diese zu schwächen, stärke Erdogan denjenigen, den er anzugreifen vorgebe: den IS. "Wer den Nordirak und die Kurden in Nordsyrien angreift, schafft Raum für den IS", beklagt der einstige Ober-Grüne. Das, so Trittin, dürfe auf keinen Fall zur Nato-Politik erklärt werden. Opposition kann konkret werden.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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