Syrien-Konflikt:Wie Putin seinen Einfluss in Nahost ausweitet

Syrien-Konflikt: Putin-Buttons als Mitbringsel einer antiwestlichen Kundgebung im März in Belgrad

Putin-Buttons als Mitbringsel einer antiwestlichen Kundgebung im März in Belgrad

(Foto: AP)

Russlands Präsident will unbedingt seine Macht vergrößern. Dazu nutzt er meisterhaft Diplomatie, Propaganda und Gewalt.

Von Tomas Avenarius

Erst am Freitag wird bekannt, wem das Nobelpreis-Komitee in Oslo den Friedenspreis verleiht. Doch eines ist schon sicher: Wladimir Putin wird es nicht sein. Dem Kremlchef kann das nur recht sein. Er beobachtet die Rechtfertigungsversuche eines Barack Obama. Dieser Friedensnobelpreisträger bombt im Irak, in Syrien - und in Afghanistan. Da betreibt Putin lieber ungehindert seinen raffinierten Mix aus Diplomatie, Propaganda und militärischer Gewalt. Auf der Krim, in der Ukraine, in Nahost.

Er macht das erfolgreich. Putins Weltverständnis baut nicht auf dem Frieden als solchen auf, schon gar nicht auf dem ewigen. Der Ex-Geheimdienstler ist ein Realist. Putin setzt auf den Frieden, der Russland dient. Der Großrusse werkelt am Wiederaufbau des Moskauer Imperiums, er will ernst genommen werden als Führer einer Macht, an deren selbst definierten Interessen weder die USA noch Europa rütteln können. Wie zu Zeiten der Sowjets, wie zu Zeiten der Zaren.

Assad braucht einen starken Partner

Daher kann der Präsident die Einverleibung der Krim und die Staatsdemontage der Ukraine ebenso als Erfolg verbuchen wie nun seine Syrienpolitik. Erst hat er den Kopf des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad mit einem fragwürdigen Giftgasabkommen gerettet, jetzt werfen seine Piloten Bomben für ihn. Sie verhindern mit ihrer Anwesenheit am Himmel gleichzeitig, dass die US-Luftwaffe sich in Syrien doch noch großräumig einmischt.

Der russische Präsident sichert ohne Magengrimmen und ohne eine protestierende Öffentlichkeit zu Hause den Machterhalt eines Gewaltherrschers, der nach vier Jahren Bürgerkrieg mit dem Rücken zur Wand steht. Ohne die Hilfe der Iraner und der Hisbollah lebte Assad ohnehin längst im Exil oder läge unter der Erde. Jetzt, wo er nur noch den kleineren Teil seines Landes kontrolliert, braucht er aber unbedingt einen stärkeren Kampfgefährten.

Frieden wäre Putin nicht dienlich

Assads Nöte sind Putins Glück. Unter dem von Washington zu Beginn des neuen Jahrtausends aufgezogenen Banner des "Kriegs gegen den Terror" kann der Russe ungeniert Kampfjets und Truppen stationieren, Häfen und Basen ausbauen, Anti-Terror-Lagezentren mit den Nachbarstaaten einrichten und so Assads Herrschaft über Rumpf-Syrien sichern. Dazu werden die attackiert, die derzeit gefährlich sind: die moderaten und die weniger moderaten Rebellen rund um die Großstädte. Die Bomben werden nicht ausgehen. Irgendwann kommt der weiter entfernt campierende "Islamische Staat" an die Reihe.

Frieden wird es bei alledem nicht geben. Der wäre Putin derzeit auch nicht dienlich: Das Chaos im Nahen Osten, für das die USA und die Europäer zum Teil mitverantwortlich sind, erlaubt ihm seine Manöver. Und Assad? Er wird, wenn er im Weg steht, von seinen Freunden beseitigt werden. Moskaus Militärgeheimdienst GRU versteht sich darauf. Beim Einmarsch ins befreundete Afghanistan 1979 wurde als Erstes der Staatschef im eigenen Bett erstickt. Das wird Assad wissen.

Auch lose Bündnisse dienen Putins Zwecken

Wenn man Weltpolitik nach Putins Maßstäben betrachtet, ist all das realpolitisches Handwerk. Seine sich in Umrissen abzeichnende Anti-Terror-Koalition mit Syrien, dem Irak und Iran allerdings wäre, wenn sie denn praktische Form gewinnt, auch nach feineren Maßstäben ein Moskauer Meisterstück. Russland käme nicht nur über seinen Altpartner Syrien zurück in den Nahen Osten, sondern auf breiterer Front. Der heutige Nahe Osten bietet ein Vakuum. Mit taktischem Geschick und ohne Skrupel kann Putin immer wieder das eine oder andere Stück an Boden gewinnen, das Washington und seine Verbündeten verlieren. Die USA und die Europäer haben weder im Irak noch in Syrien für Ruhe gesorgt. Die dortigen Regime werden einen in Sachen Rechtsstaat und Demokratie weniger fordernden Kampfgefährten zu schätzen wissen. Immerhin hat Moskau angeboten, seine Jets auch im Irak einzusetzen.

Noch ernüchternder für Putins Gegner ist Iran. Nach jahrelangen Verhandlungen hat sich die 5+1-Anti-Ayatollah-Front zu einem Atom-Abkommen entschlossen, an dessen Ende als Dividende die Annäherung der Perser an die westliche Welt stehen soll. Zumindest in Syrien setzt Teheran aber auf Moskau. Auch mit Ägypten und dessen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi kommt Putin besser klar als der Amerikaner Obama. Moskau kann Waffen verkaufen und der Kremlchef fragt nicht nach gefolterten Muslimbrüdern.

Diese Bündnisse sind lose, aber dienen Putins Zwecken. Man muss für die Weltgeltung nicht immer große Feldzüge führen. Man kann sich sich seinen vermeintlichen Anteil scheibchenweise nehmen - und ab und an ein paar Jets schicken.

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