Syrien:"Die Bilder sterbender Kinder sind herzzerreißend"

Angesichts der Tragödie von Aleppo verurteilt der Westen Moskau und Teheran für ihre Unterstützung des Assad-Regimes.

Von Stefan Braun und Paul-Anton Krüger, Berlin/Kairo

Die Staats- und Regierungschefs der sechs wichtigsten westlichen Industriestaaten haben Russlands Syrien-Politik ungewöhnlich scharf kritisiert und einen sofortigen Waffenstillstand für Aleppo gefordert. Im Ostteil der Stadt seien die Menschen "täglichen Bombenangriffen und Artilleriebeschuss durch das syrische Regime ausgesetzt, das von Russland und Iran unterstützt wird", heißt es in der gemeinsamen Erklärung Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Kanadas, der USA und Deutschlands. Moskau blockiere den UN-Sicherheitsrat, der deswegen "die Gewalttaten nicht verhindern kann". Russland und China hatten am Montag ihr Veto eingelegt gegen einen Resolutionsentwurf Ägyptens, Neuseelands und Spaniens, der eine Waffenruhe für Aleppo vorsah.

Die Weigerung des syrischen Regimes, an einem ernsthaften politischen Prozess mitzuwirken, zeige auch "die - entgegen ihrer Zusicherung - fehlende Bereitschaft Russlands und Irans", für eine politische Lösung zu arbeiten, heißt es in der Erklärung, die in einem tagelangen Abstimmungsprozess formuliert wurde. US-Außenminister John Kerry hatte von November 2015 an versucht, in engem Kontakt mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow den seit 2011 dauernden Bürgerkrieg mit Verhandlungen beizulegen. Russland trug eine entsprechende UN-Resolution mit.

Washington reagierte mit Kerrys Initiative auf das militärische Eingreifen Moskaus an der Seite der Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Staatschef Wladimir Putin hatte dies begründet mit dem Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Es zeigte sich aber bald, dass die russischen Luftangriffe sich überwiegend gegen Rebellengruppen richteten. Mehrere landesweite Waffenruhen scheiterten in der Folge.

Kanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen werfen dem Regime und seinen Unterstützern, "insbesondere Russland" vor, humanitäre Hilfslieferungen zu verhindern. Das Regime greife zivile und medizinische Einrichtungen an. Diese würden anscheinend sogar als Ziele ausgewählt in dem Versuch, die Menschen zu vernichten. "Die Bilder sterbender Kinder sind herzzerreißend", heißt es in der Erklärung. Sie fordern die UN auf, mögliche Kriegsverbrechen zu untersuchen. Es dürfe "keine Straffreiheit für die Täter geben". Sie zeigen sich auch bereit, neue Sanktionen zu verhängen. Diese könnten Einzelpersonen oder Institutionen betreffen, die für das syrische Regime oder in dessen Namen handelten.

Die Rebellen in Aleppo haben seit Beginn einer neuen Regime-Offensive drei Viertel ihrer Gebiete verloren. Regierungstruppen und Milizen eroberten am Mittwoch die Altstadt. Hunderte Zivilisten wurden getötet, Tausende verletzt, Zehntausende in die Flucht getrieben. Damaskus hat angekündigt, eine Waffenruhe nur zu akzeptieren, wenn alle Rebellen die Stadt verlassen. Die sechs Staaten fordern dagegen, einen Kompromissvorschlag des UN-Vermittlers Staffan de Mistura für den Abzug der als terroristisch geltenden Nusra-Front umzusetzen und die Gespräche über eine politische Lösung des Konflikts wieder aufzunehmen.

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