Syrien:"Der gefährlichste Ort auf der Welt"

Hilfsorganisationen fehlt versprochenes Geld zahlreicher Länder, vor allem Kinder leiden darunter. Entwicklungsminister Müller ermahnt die Staats- und Regierungschefs.

Von Hannes Vollmuth, Berlin

In London, Anfang Februar, hatten sich noch alle auf die Schultern geklopft: Neun Milliarden Euro versprachen die Staats- und Regierungschefs auf der großen Geberkonferenz, so wollte man das Leid der syrischen Flüchtlinge im Nahen Osten zumindest lindern. Aber schon einen Monat später muss Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) jetzt die Teilnehmer ermahnen.

"Zusagen müssen umgesetzt werden", sagte Müller in Berlin. Die meisten Länder hätten die versprochenen Hilfen noch nicht überwiesen. Das Kinderhilfswerk Unicef habe von etwa einer Milliarde Euro erst sechs Prozent erhalten, also einen Bruchteil dessen, was versprochen war. Müller sagte, es könne nicht sein, dass die Hilfsorganisation um die Gelder betteln müsse. Auch die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR und das Welternährungsprogramm brauchen Planungssicherheit, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Das deutsche Entwicklungsministerium unterstützt Unicef in Syrien nach eigenen Angaben 2016 mit 265 Millionen Euro.

Erneut forderte der Entwicklungsminister auch: "Es braucht einen Marshallplan für die Flüchtlingsregion." Jeder Euro, der dort investiert werde, habe einen dreißig- bis fünfzigfach größeren Effekt als in Europa. Um die humanitäre Katastrophe in der Region in den Griff zu bekommen, seien nur zehn Milliarden Euro nötig, sagte Müller. Europäische Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, sollten in einen Fonds einzahlen. "Wir stehen nicht vor nicht lösbaren Problemen", sagte der Entwicklungsminister.

Fünf Jahre nach Beginn des Syrien-Konfliktes sind nach Angaben von Unicef 13,5 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen, unter ihnen sechs Millionen Kinder und Jugendliche. "Syrien ist derzeit der gefährlichste Ort für Kinder auf der Welt", sagte die Unicef-Nothilfekoordinatorin Geneviève Boutin in Berlin. Jeden Tag würden Kinder auf Spielplätzen durch Heckenschützen sterben.

Im Moment werden Flüchtlingskinder nach Unicef-Angaben wieder verstärkt als Soldaten rekrutiert, von allen Kriegsparteien. Auch Kinderehen häufen sich in den Flüchtlingslagern. 151 000 Kinder hätten nie ein friedliches Leben gekannt, weil sie schon in einem Flüchtlingscamp geboren wurden, sagte Boutin. Bis 2013 wurden in Syrien 10 000 Kinder getötet. Eine aktuellere Zahl gebe es nicht, weil keiner mehr einen Überblick habe.

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