Syrien:Bombenangriffe stellen Friedensplan infrage

Bei Attacken im Norden des Landes sterben Dutzende Menschen. Präsident Assad will sich offenbar eine bessere Ausgangsposition für die von den USA und Russland ausgehandelte Waffenruhe verschaffen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Schwere Luftangriffe mutmaßlich des syrischen Regimes auf Rebellen-Gebiete haben am Wochenende Pläne der USA und Russlands für eine neue Waffenruhe in dem Bürgerkriegsland infrage gestellt. Beim Bombardement eines Marktes in Idlib wurden mehr als 60 Menschen getötet, wie Ärzte dort mitteilten. Viele kauften für das bevorstehende Opferfest ein. Bei Angriffen in Aleppo starben laut der Zivilschutzorganisation Weißhelme 43 Syrer.

US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow hatten in der Nacht zum Samstag in Genf vereinbart, dass in Syrien von Sonnenuntergang an diesem Montag an eine landesweite Feuerpause in Kraft treten soll, zunächst für 48 Stunden. Aleppo und andere belagerte Gebiete sollen wieder humanitäre Hilfe erhalten. Sowohl das Regime von Präsident Baschar al-Assad als auch die wichtigsten Rebellengruppen erklärten, sich an die Vereinbarung halten zu wollen. Die heftigen Angriffe könnten der Versuch sein, in letzter Minute militärische Vorteile zu erzielen, Oppositionsvertreter zeigten sich aber skeptisch, dass das Regime und Russland die Waffenruhe einhalten würden.

Bereits im Februar hatten die USA und Russland unter Beteiligung der anderen Vetomächte im UN-Sicherheitsrat, wichtiger EU-Staaten und Ländern aus der Region eine landesweite Waffenruhe für Syrien ausgerufen. Diese war aber bereits nach Wochen zusammengebrochen, vor allem weil das Assad-Regime weiter Rebellen attackierte, die zum Teil von den USA und Staaten aus der Region unterstützt werden.

Um eine Wiederholung dieses Szenarios zu vermeiden, wollen die USA und Russland künftig militärisch zusammenarbeiten im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat und Dschabhat Fatah al-Scham, die einstige Nusra-Front. Sie hatte sich zwar jüngst vom Terrornetzwerk al-Qaida losgesagt und umbenannt, gilt aber in Washington wie Moskau weiterhin als Terrorgruppe. Beide Gruppen sind wie schon im Februar von der Feuerpause ausgenommen.

Voraussetzung dafür, dass die USA und Russland eine geplante gemeinsame Operationszentrale einrichten ist jedoch, dass alle Seiten die Waffenruhe sieben Tage einhalten. Dann dürfte Assads Luftwaffe nur noch in Gebieten fliegen, in denen USA und Russland keine Operationen führen. Damit soll die Bombardierung von Gebieten gestoppt werden, die von Rebellen gehalten werden, mit denen die USA und andere Staaten zusammenarbeiten. Bislang hatte das Regime und auch Russland diese unter dem Vorwand angegriffen, gegen die Nusra-Front zu kämpfen. Einige Rebellengruppen hatten auf dem Schlachtfeld lose mit der Nusra-Front kooperiert. Nun müssten sie sich von ihr distanzieren, so Kerry.

International wurde die Einigung zwischen Kerry und Lawrow begrüßt. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura wertete sie als "Chance", den Konflikt zu beenden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einer "echten, neuen Chance", die UN-Friedensgespräche in Genf wieder in Gang zu bringen. Iran und die Türkei äußerten sich ebenfalls positiv.

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