Gewalt in Syrien:Iranische Pilger angeblich in Damaskus entführt

In Damaskus sind 48 iranische Pilger verschwunden - Assads Regime beschuldigt "Terroristen", sie entführt zu haben. Die syrische Armee kämpft in Aleppo mit Kampfhubschraubern und Artillerie gegen die Rebellen. Unterdessen bittet der Diktator Russland um Hilfe.

In der syrischen Hauptstadt Damaskus sind Medienberichten zufolge 48 iranische Pilger verschleppt worden. "Bewaffnete Gruppen" hätten die Gläubigen auf der Straße zum Flughafen entführt, zitierte die Nachrichtenagentur Irna einen namentlich nicht genannten Vertreter der iranischen Botschaft in Damaskus. Die Botschaft kenne den Aufenthaltsort der Iraner, die auf der Rückkehr von einer Heiligenstätte gewesen seien. Nach Darstellung des staatlichen syrischen Fernsehens kidnappten "bewaffnete terroristische Gruppen" die in einem Bus reisenden Iraner. Mit dem Begriff bezeichnen staatliche Medien in dem arabischen Land in der Regel Rebellen, gegen die die Regierung seit 17 Monaten massiv vorgeht.

Angriff auf das Staatsfernsehen

Währenddessen gehen die Kämpfe in der Stadt Aleppo weiter. Bei den laut syrischer Opposition schwersten Kämpfen seit Tagen haben Regierungstruppen mit schweren Waffen erneut ein von Rebellen kontrolliertes Viertel angegriffen. Der Versuch, den Stadtteil Salaheddin zu erstürmen, sei vereitelt worden, sagte der örtliche Rebellenkommandeur Abu Omar Halabi der Nachrichtenagentur dpa. Bei den Angriffen hätten die Militäreinheiten Kampfhubschrauber und Artillerie eingesetzt.

Das syrische Staatsfernsehen berichtete aus Aleppo, eine große Zahl von Aufständischen sei bei dem Versuch getötet worden, das Radio- und TV-Sendezentrum in der Stadt einzunehmen. Sie hätten rings um das Haus Sprengsätze deponiert, seien dann aber bei dem Versuch, das Gebäude zu stürmen, von der syrischen Luftwaffe beschossen worden, teilte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Daraufhin hätten sich die Rebellen, die nach eigenen Angaben die Hälfte der Stadt kontrollieren, zurückgezogen. Der Organisation zufolge gab es in zwei westlichen Stadtteilen von Aleppo zudem heftige Kämpfe.

Die russische Regierung zeigte sich besorgt über das Blutvergießen in Aleppo. "Illegale Verbände" versuchten offenbar, die syrische Stadt zu einem Stützpunkt für Angriffe auf die regulären Truppen auszubauen, teilte das Außenministerium in Moskau mit.

In Damaskus stellten die Regimetruppen die weitgehende Kontrolle über das Stadtviertel Al-Tadamun wieder her. Dieses war die letzte Hochburg der Rebellen in der syrischen Hauptstadt. In den vergangenen Tagen war sie heftig umkämpft. Nach Angaben eines lokalen Aktivisten wurden bei den Kämpfen mindestens zwölf Menschen getötet. Mehrere weitere Personen sollen bei Hausdurchsuchungen der Sicherheitskräfte an Ort und Stelle erschossen worden sein.

Humanitäre Krise betrifft mehr als zwei Millionen Menschen

Angesichts der Eskalation des Bürgerkrieges in Syrien rief das Rote Kreuz die Regierung und die Rebellen in einem dringenden Appell auf, Zivilisten zu verschonen. "Wir rufen alle an den Kämpfen beteiligten Gruppen zur Beachtung der Pflichten auf, die sich für sie aus dem humanitären Völkerrecht ergeben", erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf und Damaskus.

Frankreich appellierte derweil an den UN-Sicherheitsrat, mehr Nothilfe für die syrische Bevölkerung zu ermöglichen. Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind mehr als zwei Millionen Menschen von der humanitären Krise betroffen, die durch Kämpfe in etlichen Teilen des Landes verursacht wurde. Sie beklagen, dass es immer wieder zu Angriffen auf Zivilisten sowie auf Helfer und deren Ausrüstungen komme. So seien inzwischen fünf Mitarbeiter des Syrischen Arabischen Halbmonds (SARC) getötet und zahlreiche Krankenwagen beschossen oder geraubt worden, sagte der IKRK-Verantwortliche für den Nahen und Mittleren Osten, Robert Mardini.

Frankreichs UN-Botschafter Gérard Araud sagte dem Radiosender Europe 1, trotz der politischen Gegensätze von Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates müssten im Bereich der Nothilfe Fortschritte möglich sein. Bereits früher hatte Frankreich die Einrichtung eines "humanitären Korridors" vorgeschlagen, über den Hilfe ins Land gebracht werden könnte. "Wir werden versuchen, Russland und China wenigstens bei den humanitären Fragen auf unsere Seite zu bekommen", betonte Araud, der jüngst den monatlich wechselnden Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen übernommen hatte.

Assad geht das Geld aus

Die Kämpfe im Land gehen weiter, die Sanktionen greifen - und die syrische Regierung kämpft ums Überleben. Jetzt hat das Land seinen Verbündeten Russland um Finanz- und Wirtschaftshilfe gebeten, um die Folgen der westlichen Sanktionen gegen das Regime in Damaskus abzufedern. Vizeregierungschef Kadri Dschamil habe bei Gesprächen in Moskau besonders einen Mangel an Erdölprodukten wie Diesel beklagt, berichteten Medien in Moskau.

Beobachter gehen zudem davon aus, dass Syrien seine Währungsreserven in Höhe von geschätzten 17 Milliarden Dollar bald aufgebraucht hat.Die syrische Delegation habe "eine gewisse Summe in harter Währung beantragt, um die komplizierte Lage in Syrien zu überbrücken", hieß es.

Von russischer Seite lag zunächst keine Reaktion vor. Die UN-Vetomacht hat im Weltsicherheitsrat bislang alle Resolutionen gegen seinen Waffenkunden Syrien blockiert. "Russland hat die Aufgabe übernommen, Syrien in der aktuellen Lage wirtschaftlich zu unterstützen", sagte der Dschamil. Er erhoffe sich in den nächsten Wochen konkrete Schritte. Die Strafmaßnahmen der EU und der USA seien illegal, wurde der Politiker zitiert.Die Sanktionen hätten einen negativen Einfluss auf Syriens Wirtschaft.

Ein Test für die Vereinten Nationen

Die UN-Vollversammlung setzte derweil mit einer Resolution ein Zeichen gegen die Gewalt in Syrien und das "Unvermögen des UN-Sicherheitsrats". In einer nicht bindenden Erklärung warfen die Mitgliedstaaten dem höchsten UN-Gremium vor, bislang nichts gegen die Eskalation des Konflikts unternommen zu haben. Die Regierung in Damaskus wurde in der Resolution unter anderem aufgerufen, Chemie- und Biowaffenbestände unter Verschluss zu halten. Verurteilt wurden zudem Angriffe syrischer Truppen, Milizen und Geheimdienstler auf Kinder sowie der zunehmende Einsatz schwerer Waffen wie Panzer und Helikopter.

Die Resolution wurde von 133 der 193 UN-Mitgliedsstaaten angenommen. Zwölf Länder, darunter Russland und China, sprachen sich dagegen aus, 31 enthielten sich. Die von arabischen Staaten eingebrachte Resolution hatte ursprünglich eine Rücktrittsforderung an Assad sowie einen Aufruf zu Sanktionen gegen Damaskus enthalten. Die beiden zentralen Punkte wurden jedoch nach Bedenken Moskaus und Pekings fallen gelassen. Russland und China hatten zuvor im Sicherheitsrat rechtlich bindende Resolutionen gegen die syrische Regierung mit ihrem Veto als ständiges Mitglied mehrfach blockiert.

Bundesaußenminister Westerwelle (FDP) begrüßte die Verabschiedung der Resolution. Die internationale Gemeinschaft sei nicht bereit, zur Gewalt in Syrien und dem Krieg des Assad-Regimes gegen sein eigenes Volk zu schweigen. Vor der Abstimmung hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an das jüngste Aufflammen der Gewalt in Aleppo erinnert. "Der Syrien-Konflikt ist ein Test für all das, wofür diese Organisation steht", sagte Ban. "Ich will nicht, dass die heutigen Vereinten Nationen bei diesem Test durchfallen."

Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin kritisierte die Verurteilung des syrischen Regimes durch die UN-Vollversammlung. "Diese Resolution verschärft die Konfrontation nur und bewegt die Konfliktparteien nicht zum Dialog", sagte Tschurkin in New York. Moskau lehnt Forderungen nach einem Rücktritt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ab.

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