Suu Kyi vor Parlamentswahlen in Myanmar:"Ich möchte einfach nur ausschlafen"

Mehr als 20 Jahre lang galt Aung San Suu Kyi in Myanmar als Staatsfeindin, einen Großteil der Zeit verbrachte sie im Gefängnis oder stand unter Hausarrest. Bei den Wahlen am Sonntag wird sie nun einen Sitz im Parlament erringen. Der Kampf für Freiheit und Demokratie zehrt sehr an den Kräften der Oppositionsführerin. Doch "Mutter Suu" hat in ihrem Land noch viel vor.

Tobias Matern

Sie hat einen ganz persönlichen Wunsch, der nichts mit Demokratie und Freiheit für ihr Land zu tun hat. Aung San Suu Kyi wird das erste Mal in ihrem Leben am Sonntag als Wahlsiegerin anerkannt werden, falls die Abstimmung ohne größere Manipulationen über die Bühne geht. Aber auf die Frage, was sie für den Tag danach plant, antwortet die 66-Jährige: "Ich möchte einfach nur ausschlafen." Blass und überlastet sieht die schmale Frau aus, als "schwächlich" beschreibt sie ihren Zustand.

Aung San Suu Kyi vor Wahlen in Myanmar

Viele Menschen in Myanmar verehren "Mutter Suu" wie eine Heilige. Die Oppositionsführerin selbst sieht ihr Land erst am Anfang eines langen Wegs in Richtung Demokratie.

(Foto: dpa)

Am Freitag ist sie noch einmal in Yangon aufgetreten - nach einer Woche, in der sie die letzten Wahlkampftermine wegen Erschöpfung abgesagt hatte. Im Garten ihrer weißen Villa am Inya-See spricht sie mit Journalisten aus der ganzen Welt. Sie sind gekommen, um nach Jahrzehnten der Militärherrschaft einen historischen Moment in der Geschichte Myanmars mitzuerleben. Die Aktivistin für Demokratie und Menschenrechte wagt den Schritt in ein politisches System, das gerade von oben reformiert wird.

Das Militär hat Myanmar einen "geordneten" Übergang zur Demokratie verordnet. Das bedeutet: Ehemalige Uniformträger und ihre Vertrauten stellen die gesetzlich abgesicherte Mehrheit im Parlament, genau wie in der Regierung. Aber nach den von Präsident und Ex-General Thein Sein angestoßenen Reformen darf Aung San Suu Kyis Partei immerhin wieder an Wahlen teilnehmen - 22 Jahre nachdem ihr die Junta den Wahlsieg gestohlen hat.

Die Oppositionsführerin wird nun einen der 45 Sitze erringen, die bei der Nachwahl vergeben werden. Von einer Mehrheit in der Volksvertretung bleibt ihre Partei weit entfernt, aber das ist für Aung San Suu Kyi nicht entscheidend: "Selbst eine einzige Stimme kann in der Welt gehört werden."

Gehört wurde sie weltweit in den vergangenen beiden Jahrzehnten, in denen sie als Staatsfeindin Nummer eins gebrandmarkt wurde - die meiste Zeit davon saß sie im Gefängnis oder stand unter Hausarrest. Im Ausland gilt sie als Heldin, der Regisseur Luc Besson huldigt ihr in dem Film "The Lady". Viele Menschen in ihrer Heimat verehren sie wie eine Heilige. Ihre Porträts, lange aus der Öffentlichkeit verbannt, hängen nun wieder in den Teestuben, Taxis, Bussen und den Strohhütten auf dem Lande.

Kritik an unfairem Wahlkampf

Aber "Mutter Suu", wie ihre Landsleute sie inzwischen nennen, zeigt noch keine Emotionen: "Ich muss erst abwarten, wie es sich anfühlt, Menschen wählen zu sehen", sagt sie. Auf einer Skala von eins bis zehn stuft sie Myanmars Demokratiezustand als "noch nicht ganz bei eins" ein - kein besonders ermutigendes Urteil. Der Wahlkampf sei weder "frei noch fair verlaufen", ihre Parteifreunde seien eingeschüchtert worden.

Mit solcher Kritik will sie auch den Eindruck vermeiden, sie lasse sich von der Führung vereinnahmen, wenn sie nun ins Parlament einzieht. Sie traut dem Präsidenten, aber ob das Militär den Wandel in Myanmar wirklich zulassen wird, bezweifelt sie nach wie vor. Das Angebot, demnächst ein Ministeramt zu übernehmen, hat Aung San Suu Kyi ausgeschlagen. Sie bleibt lieber die Stimme der Opposition.

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