Susan Rice als Außenministerin:Angezählte Favoritin

File photo of U.S. Ambassador to the United Nations Rice speaking at the White House in Washington

Susan Rice, Amerikas UN-Botschafterin, gilt als Favoritin für die Nachfolge von US-Außenministerin Hillary Clinton. Warum Präsident Obama an ihr festhält, ist jedoch nicht nur den oppositionellen Republikanern ein Rätsel.

(Foto: REUTERS)

"Susan Rice ist außergewöhnlich": US-Präsident Obama will Susan Rice zur Außenministerin befördern. Doch die UN-Botschafterin ihres Landes hat sich in letzter Zeit immer mehr Feinde gemacht.

Von Christian Wernicke, Washington

Trotz alledem, Barack Obama hält an ihr fest: Susan Rice, Amerikas UN-Botschafterin und langjährige Vertraute des Präsidenten, gilt trotz aller Anfeindungen noch immer als Favoritin für die Nachfolge von Hillary Clinton, für die künftige Führung des Außenministeriums also.

Warum der Präsident an der 48-jährigen Demokratin festhält, ist nicht nur den oppositionellen Republikanern ein Rätsel. Hat er ihr das Amt fest versprochen? Hofft er, mithilfe dieser stets loyalen Dienerin in seiner zweiten Amtszeit mehr denn je Amerikas Außenpolitik selbst steuern zu können? Oder baut Obama diese Frau in Washingtons taktischem Schachspiel nur zur Königin auf, um sie in ein paar Wochen - als Zeichen überparteilicher Versöhnung - als Bauernopfer fallen zu lassen?

"Susan Rice ist außergewöhnlich"

Vorige Woche bescherte der Präsident seiner Getreuen erneut einen Moment im Rampenlicht. Da nahm Rice, als UN-Botschafterin zugleich Mitglied des Regierungskabinetts, im Weißen Haus am ersten Treffen aller Minister seit der Wahl teil - und Obama lobte sie über alles: "Susan Rice ist außergewöhnlich", sprach er vor laufenden Fernsehkameras, "ich könnte nicht stolzer sein über den Job, den sie gemacht hat."

Grund zum Lachen hatte diese so hochintelligente wie ehrgeizige Powerfrau zuletzt selten. Seit zwei Monaten schießen sich die Republikaner auf sie ein, weil sie nach dem Mordanschlag auf das US-Konsulat am 11. September 2012 im libyschen Bengasi in fünf TV-Talkshows behauptet hatte, die Gewalt sei eine Reaktion auf ein antiislamisches Hassvideo gewesen. Dabei hatte sie, so viel ist inzwischen klar, nur von Sprechzetteln abgelesen, die der Geheimdienst CIA als Stand der Ermittlungen freigegeben hatte. Darin stand (noch) nichts von al-Qaida und geplantem Terror.

Die Behauptung mancher Republikaner, Rice habe sich "an der größten Vertuschungsaktion in der US-Geschichte" beteiligt, ist durch nichts belegt. Die angebliche Bengasi-Affäre, schreibt der Kolumnist David Ignatius in der Washington Post, sei "ein erfundener Skandal".

Unverschämte Umgangsformen

Doch inzwischen wuchern andere Zweifel an der Fähigkeit der schwarzen Frau, Amerikas Diplomatie zu führen. Aus New York dringen Klagen über Rice' Arbeit in den Vereinten Nationen nach Washington. Botschafterkollegen rüffeln (streng anonym) ihre "ruppigen" oder gar "unverschämten" Umgangsformen, aus Russland schallte über die Zeitung Kommersant gar die offiziöse Warnung aus dem Außenministerium, mit Rice als Ministerin werde es "für Moskau schwieriger, mit Washington zusammenzuarbeiten".

Verteidiger von Rice vermuten Rache als Motiv - und deuten solcherlei Gift zu einem Kompliment um. Schließlich ist es Rice in den vergangenen vier Jahren gelungen, im zerzankten UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen Nordkorea und Iran durchzusetzen. Dabei habe die strategisch versierte Botschafterin bisweilen sogar China und Russland, die beiden Vetomächte, gegeneinander ausgespielt.

Stinkefinger für Richard Holbrooke

Nur, die Anekdoten aus New York rufen Erinnerungen an andere, rein inneramerikanische Attacken der Susan Rice wach. Die Tochter aus bestem Washingtoner Hause (ihr Vater gehörte einst dem Direktorium der US-Zentralbank an) soll einst im Streit Richard Holbrooke, dem 2010 verstorbenen Top-Diplomaten, den Stinkefinger gezeigt haben. Und auch als Kampagnen-Soldatin von Obama hat sie kräftig ausgeteilt: Dessen damaligen Gegenkandidaten schmähte sie als "gefährlich", und Hillary Clinton - damals innerparteiliche Kontrahentin, heute ihre Chefin - geißelte sie für ihre "Fehlurteile" über die Kriege im Irak und in Afghanistan.

Susan Rice hat sich mithin über die Jahre eine Menge Feinde gemacht. Und nun kommen neue hinzu. Die Umweltorganisation Natural Resources Defense Council enthüllte vorige Woche, dass Rice und ihr Ehemann bis zu 600.000 Dollar in Trans-Canada investiert hätten - jene Firma, die seit Jahren darum buhlt, mit dem Bau einer riesigen Pipeline den US-Absatz für aus Teersand gewonnenes Öl zu steigern. Falls Rice Ministerin würde, zählte die Pipeline zu den Dossiers, die sie ganz oben auf ihrem Schreibtisch fände. Auch konservative Rice-Gegner durchstöberten die Finanzanlagen ihres auf 20 Millionen Dollar geschätzten Vermögens und entdeckten (weit kleinere) Investitionen in die Ölkonzerne Shell und Eni, die noch vor Jahresfrist Geschäfte mit Iran betrieben hatten.

Noch schließen die Demokraten im Kongress ihre Reihen fest hinter Rice. Aber einer von ihnen, der Senator John Kerry, hat selbst Ambitionen auf das Außenamt. Die Republikaner werben längst offen für den Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses. Kerry statt Rice, so reden auch moderate Republikaner öffentlich auf Obama ein, "wäre ein überparteilicher Kandidat". Kerry selbst schweigt - etwas, was Susan Rice vielleicht zu selten getan hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: