Surpreme Court:Trumps "klarer Sieg" hat einige Fußnoten

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Donald Trump (Foto: AP)
  • Tatsächlich hat der Supreme Court lediglich beschlossen, dass der Erlass bis auf Weiteres in Kraft treten kann.
  • Über das Einreiseverbot selbst haben die Richter noch nicht entschieden. Das wollen sie erst im Herbst tun.
  • Der Erlass sieht ein generelles Einreiseverbot ohnehin nur für die Dauer von 90 Tagen vor.

Von Reymer Klüver

Der Mann im Oval Office gab sich bescheiden: "Sehr dankbar", twitterte Donald Trump, sei er "für die 9:0-Entscheidung des Supreme Court. Wir müssen Amerika SICHER halten". Kaum Bombast, mit dem Amerikas Präsident sonst gern seine 140-Zeichen-Mitteilungen versieht, nur ein Wort hatte er in Großbuchstaben in die Tastatur gehämmert. Sogar das Wort "dankbar" benutzte er, eine Wendung, die man von ihm kaum gewohnt ist.

Offiziell ließ er das Weiße Haus später mitteilen, dass der Beschluss des Obersten Gerichtshofs, die Umsetzung seines bereits zweimal verhängten Einreiseverbots für Staatsangehörige aus sechs überwiegend muslimischen Ländern endlich zu ermöglichen, ein "klarer Sieg" sei - nicht für ihn, sondern für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten.

Am Tag danach waren sich in den US-Medien alle weitgehend einig. Der Oberste Gerichtshof hatte Donald Trump zu Wochenbeginn einmal das ermöglicht, was er nach gut 150 Tagen im Amt bisher so selten hat tun können: Er durfte - ausnahmsweise einmal zu Recht - einen politischen Erfolg für sich reklamieren. Allerdings mit ein paar Einschränkungen. "In Teilen" sei der Gerichtsentscheid ein Erfolg für Trump, schrieb die New York Times, "ein Sieg" gewiss, bestätigte die Washington Post, wenn auch nur "bis auf Weiteres".

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Tatsächlich ist die Sache wieder einmal nicht so einfach, wie Trump sie darstellt. Sowohl was die Klarheit seines Sieges angeht, als auch den Umstand, den er mit seinem Tweet vorgaukelte: dass Amerikas oberste Richter sich einstimmig, also "9:0", hinter ihn gestellt hätten. Bei Weitem nicht.

Die Entscheidung zeige, dass Trump zu weit gegangen sei, sagen einige Rechtsexperten

In einem allerdings durfte sich der Präsident bestätigt fühlen. Das Weiße Haus hatte von Anfang an argumentiert, dass Trump qua Amt das Recht hat zu bestimmen, wer in die USA einreisen darf und wer nicht. Der Supreme Court bestätigte diese Auffassung, im Prinzip zumindest. Das Dekret, mit dem Trump die US-Konsulate angewiesen hatte, Antragstellern aus Libyen, Sudan, Syrien, Somalia, Jemen und Iran bis auf Weiteres keine Visa mehr auszustellen, darf nach der Entscheidung des Gerichtshofs nun umgesetzt werden. Das hatten mehrere US-Bundesgerichte zuvor noch untersagt. Ihre einstweiligen Verfügungen sind damit kassiert.

Allerdings machte der Supreme Court eine erhebliche Einschränkung. Der Präsident darf nicht willkürlich Menschen die Einreise verweigern lassen, nur weil sie eine bestimmte Staatsangehörigkeit besitzen. Wer aus den genannten Ländern "glaubwürdig" eine Verbindung in die USA nachweisen kann, dem müsse die Einreise gestattet werden - wenn keine sonstigen konkreten Sicherheitsbedenken bestehen.

In einer Art Gebrauchsanweisung für ihre Entscheidung führten die Richter sogar auf, wen sie damit meinen: Antragsteller mit "engen familiären Beziehungen", Studenten mit Studienplatz, Bewerber mit einem Jobangebot einer US-Firma, Gastredner mit einer Einladung in die USA. Einige Rechtsexperten werteten diese Einschränkungen als ein Signal des Obersten Gerichts ans Weiße Haus, dass seine Dekrete bisher zu weit gehen.

Tatsächlich hatte Trump im Wahlkampf immer wieder von einem muslim ban gesprochen, also einem Einreiseverbot für Muslime. In den bisherigen Gerichtsentscheidungen wurden Trumps Dekrete denn auch als diskriminierend gewertet - und auch deshalb ausgesetzt. In einem ersten Dekret kurz nach seiner Amtseinführung hatte Trump pauschal allen Bürgern aus zunächst sieben Ländern - auch denen mit einer bestehenden Aufenthaltsgenehmigung für die USA - die Einreise verweigern lassen.

Das Dekret war umgehend von Bundesgerichten kassiert worden. Auch eine revidierte Fassung, die Anfang März folgte und die Inhaber sogenannter Green Cards sowie Iraker nicht mehr aufführte, hatte keinen Bestand vor den Gerichten. Deshalb ließ Trump das Oberste Gericht anrufen.

Wie nun die Einschränkungen des Supreme Court für Trumps Dekret zu verstehen sind, lässt indes Raum für Interpretationen - und neue Rechtsstreitigkeiten. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU glaubt, dass Einreiseverbote jetzt "nur in beschränktester" Form erlassen werden dürften - und kündigte an, sie notfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. Das Heimatschutzministerium indes teilte mit, dass der Gerichtsentscheid erlaube, "im Großen und Ganzen" das Dekret anzuwenden.

Allerdings versicherte ein Ministeriumssprecher, man wolle den Erlass "professionell" umsetzen, "mit ausreichender öffentlicher Vorwarnung". Die chaotischen Szenen sollen sich nicht wiederholen, wie sie sich nach Veröffentlichung des ersten Einreiseverbots an den Flughäfen abspielten, als Passagiere wieder zurückgeschickt oder sogar festgenommen wurden.

Dass in den kommenden Wochen neues Ungemach drohen könnte, befürchten wohl auch die drei konservativsten Richter am Supreme Court. Sie prophezeiten, dass die Anordnung ihrer Kollegen sich als "nicht umsetzbar" erweisen und eine "Flut von Klagen" nach sich ziehen werde. Sie würden dem Präsidenten ohne Wenn und Aber erlauben, das Einreiseverbot auszusprechen. Was den Umkehrschluss erlaubt, dass die vier linken und zwei der Richter, die sonst eher konservativ entscheiden, Zweifel am Präsidenten-Dekret haben. Insofern ist Trumps Siegesschrei, dass Amerikas oberste Richter 9:0 zu seinen Gunsten entschieden hätten, einmal mehr nichts als Faktenklitterei.

Tatsächlich hat der Supreme Court lediglich beschlossen, dass der Erlass bis auf Weiteres in Kraft treten kann. Über das Einreiseverbot selbst haben die Richter noch nicht entschieden. Das wollen sie erst im Herbst tun. Der Erlass sieht ein generelles Einreiseverbot ohnehin nur für die Dauer von 90 Tagen vor. In dieser Zeit, so Trumps Anweisung, sollten die Behörden neue Visa-Regeln erlassen. Würde das im Lauf dieser Frist wirklich geschehen, würde das Einreiseverbot wieder aufgehoben - und der Supreme Court müsste nicht mehr darüber entscheiden. Was den Richtern, so sagen nicht wenige Auguren in Washington, am Ende das Liebste wäre.

© SZ vom 28.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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