Super Tuesday der Republikaner:Romney sucht die Siegesformel

Von nun an geht es um jeden Delegierten: Nach dem Super Tuesday müssen sich die Republikaner auf den längsten Vorwahlkampf seit 36 Jahren einstellen. Mitt Romneys Strategen arbeiten bereits an einem neuen Plan für den Weg zur Nominierung - und können sich dabei ausgerechnet an ihrem größten Gegner orientieren.

Sebastian Gierke

Vielleicht hat sich Mitt Romney die Rede seines Rivalen noch im Fernsehen angeschaut, bevor er selbst auf die Bühne ging. Vielleicht hat er gesehen, wie Rick Santorum seine Anhänger in Steubenville, Ohio, mitgerissen hat. Wie sie ihm fast ehrfürchtig an den Lippen hingen. Hin und wieder haben sie wütend geschnaubt, wenn Santorum über die aktuelle Regierung gesprochen hat, dann wieder haben sie ihren Favoriten mit Sprechchören gefeiert. Es war eine starke Rede, die Santorum gehalten hat. Eine stärkere hat an diesem Super-Tuesday-Wahlabend nur Romney gehalten. Ann Romney. Die Frau von Mitt.

US-Vorwahlen der Republikaner

Der ist wenige Minuten nach Santorums Auftritt in Boston, Massachusetts, auf die Bühne gestiegen. Die Krawatte etwas verrutscht, im Gesicht den immer gleichen, irgendwie unechten Ausdruck von Zuversicht und Selbstbewusstsein.

An diesem großen Tag im Vorwahlkampf der Republikaner, dem Super Tuesday, wollte Romney für eine Vorentscheidung sorgen, sich endgültig zum Herausforderer von Barack Obama aufschwingen. Doch an diesem Tag hielt der ehemalige Gouverneur von Massachusetts eine Rede, wie er sie schon oft gehalten hat. Er sprach über seine Erfahrung als Manager, über die Arbeitslosigkeit und auch über Menschen, die ihn beeindruckt haben. Romney wollte so eine Verbindung schaffen zwischen ihm da oben auf der Bühne und den Leuten an den Bildschirmen, eine Verbindung zwischen ihm und der Basis. Es misslang, wieder einmal.

Seine Rede war blutleer. Die Fans gaben sich zwar begeistert, unterbrachen ihn fast nach jedem Satz mit Sprechchören: "USA, USA, USA" wurde übergangslos zu "Mitt, Mitt, Mitt". Doch anders als bei Santorum, der den Funke auf sein Publikum überspringen ließ, wirkte es, als wollten die Fans Romney entzünden. "Echter Wandel kommt", rief Romney fast zurückhaltend. Seine Fans antworten weniger schüchtern: "Yeah". Romney versuchte es mit Blick auf die Wahlen im Herbst noch einmal: "Am 6. November haben wir nicht nur die Wahl gewonnen. Dann haben wir Amerika gerettet." Er blickte seinen Worten hinterher, als würde er ihnen selbst nicht ganz glauben. "Obama hat keine Ideen mehr, er hat keine Entschuldigungen mehr - und jetzt kriegen wir ihn auch noch aus dem Weißen Haus."

Dem 64-Jährigen, das ist nicht erst seit den Ergebnissen am Super Tuesday klar, gelingt es nicht, die Partei für sich zu begeistern. Er ist der ungeliebte Favorit, der Einzige, dem das Partei-Establishment eine Chance gegen den verhassten Barack Obama einräumt, von dem sich die Basis aber nicht überzeugen lässt.

Ausgerechnet Santorum

Der Ex-Gouverneur und Multimillionär Romney versuchte am Super Tuesday seine Enttäuschung zu überspielen, tat so, als sei der innerparteiliche Kampf längst entschieden. Doch Santorum hat mit drei gewonnen Staaten und dem knappen Ergebnis von Ohio, wo Romney vier Mal so viel Geld investierte wie er, den Abstand in Grenzen gehalten. Er wird im Rennen bleiben und Romney weiter schwer zusetzen. Auch weil viele der kommenden Vorwahlen im Süden Amerikas stattfinden, wo Romney höchstwahrscheinlich gegen die konservativen Lieblinge der Partei, Newt Gingrich und Rick Santorum, keine Chance haben wird.

Ausgerechnet der als krasser Außenseiter gestartete ehemalige Senator aus Pennsylvania, der tiefreligiöse und erzkonservative Rick Santorum lässt sich einfach nicht abschütteln. Ausgerechnet der, der noch in der ersten Wahlkampfphase aus Mangel an Geld und Mitarbeitern teilweise allein und im eigenen Auto auf Stimmenfang ging.

Zwar hat Romney, der als Unternehmensberater ein Vermögen gemacht hat, die meisten Vorwahlen gewonnen, die meisten Delegierten hinter sich versammelt, aber er konnte keinen uneinholbaren Vorsprung herausholen. Auch nach dem Super Tuesday nicht.

Romney ist jetzt vielmehr endgültig daran gescheitert, sich die Nominierung mit überzeugenden Siegen in den ersten Monaten des Vorwahlkampfes zu sichern, wie es bei den Republikanern in den vergangenen Jahrzehnten meist der Fall war. Die Partei ist zerrissen, tief gespalten. Und so wird es immer wahrscheinlicher, dass sich der Kampf um die Kandidatur zu einem Kampf um jeden einzelnen Delegierten entwickelt. Seit 1976, als Gerald Ford und Ronald Reagan bis zum Nominierungsparteitag miteinander rangen, mussten die Republikaner keinen solchen Kampf mehr ausfechten.

Einer Zwischenrechnung des Senders CNN zufolge kommt Romney nach dem Super Tuesday insgesamt auf mindestens 373 Delegierte, während Santorum 157 zugeschrieben werden. Gingrich kommt demnach auf 99, Paul auf 60.

Die Delegierten sind jetzt die Währung der Macht. Wer vor dem Nominierungsparteitag in der letzten Augustwoche in Tampa, Florida, 1144 Delegierte hinter sich versammeln kann, der wird Präsidentschaftskandidat. Bis dahin wird noch viel gerechnet werden müssen. Die Arithmetik ist kompliziert. Mitt Romneys Kampagne versucht sich darauf einzustellen. Und ausgerechnet der amtierende Präsident hat es den Republikanern vorgemacht.

2008 gewann Obama vor allem deshalb gegen Hillary Clinton, weil er einen ausgeklügelten Plan dafür hatte, wie Delegierte über alle Staaten hinweg gewonnen werden können. So achteten Obamas Wahlkampfmanager zwar darauf, dass ihr Kandidat in symbolisch wichtigen Staaten, auf die sich Clinton konzentrierte, nicht zu weit zurückfiel. Gleichzeitig setzten sie aber auf angeblich unbedeutende Staaten, die seine Gegnerin kaum auf der Rechnung hatte. So gewann Clinton zwar beispielsweise Ohio oder Texas, aber anderswo holte sie signifikant weniger Delegierte als Obama und verlor am Ende deutlich. Schon im Jahr 2007 hatte Obama mit seinen Vorbereitungen auf das Rennen um jeden Delegierten begonnen, Clinton erst Monate später. Diesen Rückstand konnte sie nicht mehr aufholen.

Noch ist unklar, welches republikanische Wahlkampfteam sich am besten auf die Jagd vorbereitet hat. Zwar hat jeder Bewerber eine Spezialabteilung, die sich ausschließlich mit der Mathematik der Delegiertenzuteilung befasst, doch welches am Ende die besten Entscheidungen treffen wird, ist noch nicht ausgemacht. Welche Folgen schlechte und unterfinanzierte Organisationstrukturen zeitigen können, machte jedenfalls gerade das Versagen von Santorum und Newt Gingrich deutlich, sich für die Vorwahlen in Virginia zu qualifizieren.

Klar ist: Romney ist finanziell am besten ausgestattet. Und seine Strategen und Rechtsanwälte arbeiten bereits seit einigen Monaten an dem Schlachtplan, wie ihr Kandidat in der zweiten Hälfte des Vorwahlzyklus vor seinem wichtigsten Kontrahenten bleibt, auch wenn dieser noch einige wichtige Staaten gewinnen sollte.

Kampf bis in den Frühling

Rick Santorum ficht das nicht an. Schon am Super Tuesday sprach er von "Siegesfeiern". Der Vorwahlkampf, so viel scheint sicher, wird an Schärfe noch zunehmen. Doch je mehr sich die republikanischen Bewerber gegenseitig mit Schmutz bewerfen, desto mehr kann sich Obama die Hände reiben - die Republikaner liefern ihm frei Haus Munition, die er später selbst verwenden könnte.

Die republikanischen Kandidaten sind jetzt außerdem gezwungen, ihre Kräfte im Wahlkampf aufzusplitten auf all jene Staaten, in denen noch gewählt wird. Das ist teuer. Und das Geld, das sie jetzt ausgeben müssen, fehlt später, wenn es gegen Obama geht.

Und so ist der wahre Sieger des Super Tuesday, einer der gar nicht angetreten ist: Vor drei Monaten lag Obama in den Umfragen noch hinter Romney. Jetzt führt er mit fünf Prozentpunkten Vorsprung. Schon jetzt bewerten 70 Prozent der Wähler den quälend langen Verlauf der Vorwahlen als "negativ" und "zerstörerisch" für die Republikaner. Die Qual hat noch lange kein Ende - der Kampf um jeden Delegierten könnte noch bis weit in den Frühling hinein weitergehen.

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