Suizid aus Protest gegen die Homo-Ehe:Respekt von ganz rechts

Er wollte gegen die Homo-Ehe protestieren - und hat sich vor den Augen von 1500 Besuchern in der Kathedrale Notre-Dame de Paris das Leben genommen. Der öffentliche Suizid eines rechtsextremen Schriftstellers heizt die Debatte um die Homo-Ehe weiter an. Nur die rechtsextreme Partei Front National versucht, die Tat für ihre Zwecke zu nutzen.

Von Stefan Ulrich, Paris

Der öffentliche Suizid eines Rechtsextremisten in der Kathedrale Notre-Dame de Paris hat die Debatte über die Homo-Ehe in Frankreich weiter zugespitzt. Der rechtsextreme Schriftsteller Dominique Venner hatte sich am Dienstagnachmittag erschossen. In der Kathedrale, die sofort evakuiert wurde, befanden sich zu diesem Zeitpunkt 1500 Besucher. Ersten Erkenntnissen zufolge wollte der Mann mit seinem Suizid gegen die Homo-Ehe und eine angebliche Überfremdung Frankreichs protestieren.

Im jüngsten Eintrag seines Internet-Blogs schrieb Venner, er unterstütze die Menschen, die am kommenden Sonntag in Paris gegen die "verwerfliche" und "abscheuliche" Homo-Ehe demonstrieren wollten. Sie sollten sich aber nicht mit dem Protest gegen dieses Gesetz begnügen. Das eigentliche "Übel" sei es, dass Franzosen und Europäer durch Einwanderer aus Nordafrika verdrängt würden. Frankreich drohe in die Hände von Islamisten zu fallen. Seit 40 Jahren täten die demokratischen Parteien und die katholische Kirche alles, um diese Immigration zu fördern. Es bedürfe "neuer spektakulärer und symbolischer Gesten", um die Menschen aufzurütteln.

Innenminister Manuel Valls sprach von einem beispiellosen Drama und einem Schock für die Gläubigen in Notre-Dame. Es handle sich um die Tat eines "verzweifelten Menschen". Frigide Barjot, die die Proteste gegen die Homo-Ehe in Frankreich anführt, sagte, die Selbsttötung widerspreche ihrer "Bewegung für den Frieden und für das Leben". Venner sei Teil einer winzigen Minderheit gewesen.

Die rechtsextreme Partei Front National versuchte dagegen, den Suizid für ihre Zwecke zu nutzen. Parteichefin Marine Le Pen sagte, Venner habe all ihren Respekt für seine "zutiefst politische Tat", durch die er versucht habe, "das französische Volk aufzuwecken". Andere Vertreter des Front National sprachen von einem "Protest gegen die Dekadenz unserer Gesellschaft".

Venner hatte einst als Fallschirmjäger im Algerien-Krieg gedient. Er schloss sich der terroristischen Organisation OAS an, die versuchte, die Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich mit allen Mitteln zu bekämpfen. Später schloss sich Venner verschiedenen extremen Gruppen an. Er veröffentlichte etliche Bücher über die Geschichte und über Schusswaffen und galt als bekannte Figur in rechtsextremistischen Kreisen.

Die sogenannte Ehe für Alle wurde nach monatelangen Diskussionen und Massen-Demonstrationen kürzlich vom französischen Parlament beschlossen. Sie stellt homosexuelle Paare mit heterosexuellen gleich, auch bei der Adoption von Kindern.

Das französische Verfassungsgericht wies vergangene Woche Einwände der konservativen Opposition gegen die Reform zurück. Staatspräsident François Hollande unterzeichnete das Gesetz am Wochenende. Dennoch wollen die Gegner der Homo-Ehe nicht aufgeben. Sie rufen für kommenden Sonntag zu einer Massendemonstration in Paris auf. Tausende Bürgermeister in Frankreich haben zudem angekündigt, keine Trauungen von Homosexuellen vorzunehmen.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns entschieden, in der Regel nicht über Selbsttötungen zu berichten, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Die Berichterstattung gestalten wir deshalb bewusst zurückhaltend, wir verzichten weitgehend auf Details. Der Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide.

Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.

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