Südkoreas Präsident:Herr Lee und seine Skandale

Illegale Wahlkampfgelder, Steuerhinterziehung und Bespitzelung prominenter Landsleute: Südkoreas Präsident Lee Myung Bak rettet sich aus jeder Affäre, die Justiz konnte ihn bislang nicht belangen. Spätestens im Ruhestand könnte sich das aber ändern.

Christoph Neidhart, Tokio

Die Netze, in denen sich Lee Myung Bak verheddert, werden immer dichter. Doch der südkoreanische Präsident hat sich bisher jedes Mal herausgewunden. So auch am vergangenen Wochenende: Vorige Woche hatte Choi See Joong zugegeben, vor Lees Wahl 2007 heimlich 600 Millionen Won angenommen zu haben, umgerechnet 500.000 Euro. Das Geld sei im Wahlkampf benützt worden.

Lee Myung-bak

Südkoreas Präsident Lee Myung Bak verstrickt sich in Affären. Während enge Mitarbeiter bereits im Gefängnis sitzen, konnte ihn die Justiz noch nicht belangen.

(Foto: AP)

Zwei Jahre später bewilligte Lees Regierung ein umstrittenes Bauprojekt des Geldgebers. Choi war damals Lees persönlicher Sekretär, er ist wegen eines anderen Geschäfts schon im April verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft will nun weitere frühere Mitarbeiter Lees verhaften. Gleichwohl erklärte Justizminister Kwon Jae Jin am Montag, er habe keine Belege, die eine Untersuchung wegen illegaler Wahlkampffinanzierung nötig machten.

Lee hatte einst von seiner Regierung gesagt, als "moralisch perfekte Administration können wir uns nicht den kleinsten Makel leisten". Inzwischen aber sitzen mehrere seiner engsten Mitarbeiter im Gefängnis; auch sein älterer Bruder und Mentor Sang Deuk, ein früherer Parlamentarier. Ein Bezirksgericht von Seoul hält es für erwiesen, dass der ältere Lee von zwei Sparkassen 500.000 Euro einsteckte. Dafür half er ihnen zu verhindern, dass ihre Bücher geprüft wurden. In Südkorea mussten im vergangenen Jahr 20 Sparkassen geschlossen werden, weil sie Einlagen ihrer Kunden mit riskanten Immobilienspekulationen verjubelt hatten. 88.000 Sparer verloren ihr Geld. Vier Banker haben sich umgebracht, einer wurde erwischt, als er mit einem kleinen Boot nach China floh. Als der Bruder des Präsidenten verhaftet wurde, warfen geprellte Bürger Eier nach ihm, eine Frau stürmte auf ihn zu und packte ihn am Kragen. Das Fernsehen zeigte den so gedemütigten Lee immer wieder.

Steuerhinterziehung? Die Staatsanwaltschaft konnte Lee nichts nachweisen

Auch Lees Sohn Si Hyung drohte eine Verhaftung; niemand kann erklären, warum es nicht soweit kam. Der Präsident hatte unter dem Namen des Sohnes in Seouls noblem Stadtteil Naegok für seinen Alterssitz ein Grundstück gekauft. Zeugen sagten aus, Lee habe das Bauland mit seiner Frau vorher besichtigt. Aber als Käufer traten dann der Sohn und sechs Helfer auf, obwohl keiner von ihnen die erforderlichen Mittel hatte. Zusätzlich soll Staatsgeld für den Grundstückskauf verwendet worden sein. Der Trick, beim Erwerb von Immobilien Strohmänner einzusetzen, um Steuern zu hinterziehen, ist in Südkorea verbreitet, aber streng verboten. Dem Präsidenten waren schon vor seiner Wahl 2007 ähnliche Delikte vorgeworfen worden. Aber man konnte ihm nichts nachweisen. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren im Juni eingestellt, der Sohn war nicht einmal befragt worden.

Der Präsident hat inzwischen bekannt gegeben, er wolle gar nicht nach Naegok ziehen, sondern werde nach Ablauf seiner Amtszeit im Februar in sein früheres, bescheideneres Haus zurückkehren. Die Behörden ließen verlauten, man habe Lee nicht nachweisen können, dass er von den Geschäften des Sohnes gewusst habe.

Unter Lee überwachte eine Einheit prominente Südkoreaner

Es geht nicht bei allen Skandalen Lees um Geld. Kürzlich wurde auch die Untersuchung von "Lees Watergate" abgeschlossen, ohne dass jemand Verantwortung übernehmen musste. Seit Lees Amtsantritt 2008 überwachte eine Spezialeinheit der Regierung prominente Südkoreaner, die den Präsidenten kritisierten. Dazu gehörten Samsung-Chef Lee Kun Hee, die Bürgermeister von Seoul und Incheon, der Gouverneur der Provinz Gyeonggi, ein früherer Polizeichef, mindestens ein ehemaliger Minister, ein pensionierter oberster Richter und ein bekannter buddhistischer Mönch. Vergangenen Juni bestätigte die Staatsanwalt die Liste dieser Namen und sagte, sie vermute, das Präsidentenamt habe Beweise vernichtet. Auch deshalb konnte sie nicht herausfinden, ob der Stabschef des Präsidenten von der Überwachung wusste. Zudem sei die (aus der Staatskasse finanzierte) Überwachung nicht kriminell gewesen; die Einheit habe nur Gehörtes und Gerüchte gesammelt, dazu alles, was auf Papier oder im Internet über die betroffenen Personen publiziert wurde.

Lee soll 2008 auch Säuberungen linker Gruppen geplant haben, wie ein angeblich aus dem Präsidentenamt stammendes Dokument nahelegt, das am Montag im Parlament auftauchte. Die Macht stehe in Südkorea noch immer über den Gesetzen, kommentierte eine konservative Tageszeitung in Seoul kürzlich. Saenuri, die rechtsbürgerliche Partei, auf deren Ticket Lee gewählt worden war, hat sich längst von ihm distanziert. Sie hat dazu sogar ihren Namen geändert.

Allen früheren südkoreanischen Präsidenten konnte - spätestens, wenn sie im Ruhestand waren - nachgewiesen werden, dass sie und ihre Entourage korrupt waren. Lee Myung Bak, der sich so gerne als Saubermann gibt, dürfte keine Ausnahme bleiben.

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