Südchinesisches Meer:Riskante Operation an der Arterie der Weltwirtschaft

File photo of the US Navy guided-missile destroyer USS Lassen underway in the Pacific Ocean

Der amerikanische Zerstörer USS Lassen (Archivbild)

(Foto: REUTERS)

Das Südchinesische Meer ist für alle da: Mit dieser Botschaft schicken die USA ein Kriegsschiff in ein Aufsehen erregendes Manöver. Jetzt lautet die Frage: Fühlt Peking sich beeindruckt - oder herausgefordert?

Von Arne Perras, Singapur

Es war ein sehr symbolisches Manöver, das die USS Lassen im Südchinesischen Meer durchführte. Im Abstand von weniger als zwölf nautischen Meilen patrouillierte der amerikanische Zerstörer an jenen künstlichen Inseln vorbei, die China als Vorposten im Ozean aufgeschüttet hat. Die Botschaft Washingtons war deutlich, das Signal unübersehbar: Was Peking da auch immer an Sand aufhäuft, begründet noch längst keine chinesische Souveränität.

Anders ausgedrückt wollen die Vereinigten Staaten damit den Grundsatz hochhalten: Das Südchinesische Meer ist für alle da, solange rivalisierende Gebietsansprüche nicht nach Verfahren des internationalen Rechts geprüft und gelöst werden. Genau das aber widerspricht dem chinesischen Standpunkt. Peking will vor allem historische Rechte geltend machen, um 90 Prozent des rohstoffreichen und strategisch bedeutenden Meeres als maritimen Vorhof für sich zu reklamieren. So überraschte es kaum, dass China wenig begeistert auf das US-Manöver reagierte und es sogar als "illegal" geißelte.

"Ich denke, jeder wird ein Gleichgewicht der Mächte begrüßen"

Andere atmen jetzt auf, sie haben schon lange auf ein solches Zeichen amerikanischer Entschlossenheit gewartet. Allen voran sind das die Philippinen, die alleine zu schwach sind, um der asiatischen Großmacht China die Stirn zu bieten. Präsident Begnino Aquino klang erleichtert, als er den Kurs des amerikanischen Kriegsschiffes kommentierte.

"Ich denke, jeder in der Welt wird ein Gleichgewicht der Mächte begrüßen", sagt der philippinische Staatschef, der wie kein anderer auf die Schutzmacht USA angewiesen ist, um sich gegen eine Expansion der Chinesen zu stemmen. In seinem Satz schwingt die Furcht vor der Umkehrung gleich mit. Ohne die USA als Gegengewicht im Pazifik haben die kleineren Staaten Südostasiens nach dieser Lesart kaum eine Chance, ihre Interessen und Ansprüche zu verteidigen. So lautet das Credo in Manila. Und ganz ähnlich dürfte das zumindest ein weiteres Nachbarland Chinas sehen, das sich mit Peking um Hoheitsrechte auf See streitet: Vietnam.

Gleichwohl gibt es mitnichten eine geeinte Front in Südostasien gegen die maritime Politik Chinas, jedes Land hat eine sehr eigene Geschichte der Beziehungen mit Peking, mal mehr, mal weniger konfliktbeladen. Vorherrschend ist bei den meisten Staaten der Impuls, es sich vor allem aus ökonomischen Gründen nicht mit dem großen Nachbarn zu verscherzen. Kein Staat kann oder will es sich leisten, auf Geschäfte mit der aufstrebenden Großmacht zu verzichten. Dass es wehtut, wenn Peking tatsächlich einmal die Daumenschrauben anzieht, konnten alle sehen, als China vor einiger Zeit den Import philippinischer Bananen stoppte und so den kleinen Nachbarn zappeln ließ.

Das Südchinesische Meer wird zu einer Arena des Kräftemessens

Aber kann es das von Aquino beschworene Gleichgewicht der Mächte eigentlich geben? Und ist es ein Garant für Frieden und Stabilität? Tatsächlich wird nun immer deutlicher, dass sich das Südchinesische Meer, jenseits der vielen rivalisierenden und ungeklärten Hoheitsansprüche benachbarter Länder, doch in eine Arena verwandelt, in der die beiden maßgebenden Mächte ihre Kräfte messen. China will seinen Einfluss weiter ausbauen, die Vereinigten Staaten den Status quo halten. Dieser Interessenkonflikt lässt sich nicht mit dem Ruf nach einem Gleichgewicht der Mächte auflösen. Denn vereinbar sind die Vorstellungen Chinas und der USA in diesen Gewässern eher nicht.

Das ist alarmierend für alle, weil das Südchinesische Meer als Route für die Weltwirtschaft eine so herausragende Rolle spielt. Was sich hier durch die Gewässer bewegt, addiert sich zu einem Handelsvolumen von 3,5 Billionen Dollar im Jahr. Deshalb möchte man sich gar nicht vorstellen, was selbst eine begrenzte militärische Konfrontation in den Gewässern bedeuten könnte. Niemand kann es sich auch nur vorübergehend leisten, dass die wichtigste Arterie der Weltwirtschaft blockiert wird. Das macht die Spannungen in den Gewässern so bedeutend, auch für die Europäer, die diese Muskelspiele jetzt aus der Ferne beobachten.

Die amerikanische Strategie des symbolischen Manövers - kann sie aufgehen? Man darf skeptisch sein. Solch demonstratives Aufkreuzen dürfte Peking nicht zügeln, sondern eher herausfordern und reizen. Vieles deutet darauf hin, dass die chinesische Regierung den Nationalismus als künftiges Standbein ihrer Macht züchtet. Da sieht es vor dem eigenen Volk gar nicht gut aus, vor den Amerikanern zu kuschen. Insofern ist es gut möglich, dass nun doch harsches Wetter aufzieht im Südchinesischen Meer. Dass alle hier einträchtig nebeneinanderher schaukeln könnten, im Gleichgewicht der Kräfte, ist nicht sehr wahrscheinlich.

Nur die Einsicht, dass ökonomisch alle verlieren werden, wenn die Spannungen eskalieren, kann mäßigend wirken. Alle Seiten wissen das. Aber sie müssen es sich auch immer zur Richtschnur machen, wollen sie einen Kurs im Südchinesischen Meer fahren, der zu keinen abenteuerlichen Kollisionen führt.

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