Südchinesisches Meer:Rabauke auf Kuschelkurs

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Einst kündigte Rodrigo Duterte an, zur Not auf einen Jet-Ski zu springen, um Gebietsansprüche der Philippinen im Südchinesischen Meer zu verteidigen. (Foto: Thomas Peter/ Reuters)

Im Wahlkampf keilte Duterte noch gegen China, jetzt sucht er den Schulterschluss mit Peking: Wirtschaftliche Vorteile sind dem Präsidenten der Philippinen nun wichtiger als der alte Streit um eine Inselgruppe.

Von Arne Perras und Kai Strittmatter, Peking/Singapur

Erstaunliches ereignet sich zwischen den Philippinen und China. Am Dienstag traf der philippinische Präsident Rodrigo Duterte mit einer Delegation von mehr als 200 Geschäftsleuten für einen dreitägigen Staatsbesuch in Peking ein. Wenn Dutertes Äußerungen im Vorfeld ernst zu nehmen sind, ist er dabei, eine nie gesehene Annäherung seines Landes an China einzuleiten. Gleichzeitig scheint er willens zu sein, die alte Allianz mit den USA aufs Spiel zu setzen. Washington ist alarmiert, eine solche Kehrtwende würde die heikle Balance der Kräfte in der Region durcheinanderwerfen. Und sie wäre eine radikale Abkehr der Philippinen von ihrer Politik der letzten Jahrzehnte. Denn es waren die Philippinen, die China mit ihrer Klage vor dem Ständigen UN-Schiedsgerichtshof in Den Haag im Juli eine schwere Niederlage beigebracht hatten: Der Gerichtshof entschied, dass Chinas Gebietsansprüche in den umstrittenen Territorien des Südchinesischen Meeres nicht rechtmäßig seien. Die Klage hatten Dutertes Vorgänger angestrebt, China will das Urteil nicht anerkennen.

"Es macht keinen Sinn, wegen eines Gewässers einen Krieg anzufangen", sagte Duterte nun vor seiner Ankunft in Peking der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Verhandlung sei besser als Konfrontation. Mit sanften Flötentönen war der philippinische Präsident Rodrigo Duterte bislang nicht aufgefallen, umso mehr findet nun Beachtung, wie der Mann aus Manila den Gastgeber in Peking umgarnt. So lobte der Gast vor seiner Ankunft Chinas "gute und vernünftige Politik", sprach von "Freundschaft" und "Kooperation" und sagte: "Vor allem wollen wir über das Geschäft reden." Schließlich vertraute Duterte der staatlichen chinesischen Agentur Xinhua auch noch an, dass sein Großvater Chinese gewesen sei. "Nur China kann uns helfen", sagte er. Besondere Dankbarkeit zeigte der Präsident der Philippinen dafür, dass Peking sich der internationalen Kritik an Dutertes Drogenkrieg nicht angeschlossen hatte, in dem bislang mehrere Tausend angebliche Drogenhändler und Junkies umgebracht wurden. "China kritisiert nie", sagte Duterte. "Sie helfen uns im Stillen."

Solche Töne hat man in Peking lange nicht mehr gehört. Selbst Duterte haben sie früher ganz anders erlebt, als die Emotionen im Streit um die Inseln im Südchinesischen Meer hochkochten. Während des Wahlkampfes protzte der frühere Bürgermeister von Davao damit, dass er sich selbst auf einen Jetski schwingen würde, um in James-Bond-Manier zu den umstrittenen Riffen zu brausen und dort die philippinische Flagge hochzuhalten, aller chinesischer Militärmacht zum Trotz. Nun gestand er zwinkernd: "Ich kann gar nicht schwimmen."

Beide Staaten streiten um mehrere Inselgruppen vor ihren Küsten. Und die Philippinen schmerzt es ganz besonders, dass Peking das sogenannte Scarborough-Riff kontrolliert. Dort liegen reiche Fischgründe, doch philippinische Boote wagen sich nicht mehr hinaus, seitdem die chinesische Seemacht dort patrouilliert und die Muskeln spielen lässt. Am Dienstag nun meldete die Nachrichtenagentur Reuters, Peking überlege, im Falle einer Annäherung philippinische Fischerboote wieder in den Gewässern zu dulden.

Ein besseres Verhältnis zu China soll den Philippinen auch im Kampf gegen die Drogen helfen

Dutertes Vorgänger Benigno Aquino hatte aus dem ewigen Streit mit China den Schluss gezogen, dass es für die Sicherheit der Philippinen unumgänglich sei, sich noch stärker an die Supermacht Amerika anzulehnen. Deren Sieg im Zweiten Weltkrieg hatte die Nachkriegsordnung im Pazifik maßgeblich geprägt, durch den rasanten Aufstieg Chinas gerät sie nun ins Wanken. Mit Duterte ist nun vieles in Bewegung geraten, Washington kann sich auf seinen langjährigen Verbündeten in Manila nicht mehr verlassen. Mit Chinas autoritären Machthabern flirtet der philippinische Staatschef, den scheidenden US-Präsidenten Barack Obama brüskiert er derweil mit wüsten Schimpfworten. Er nannte Obama einen "Hurensohn", der zur Hölle fahren soll. Dies war offenkundig ein kalkulierter Paukenschlag, um von den USA abzurücken und die Philippinen "unabhängiger" zu machen, wie Duterte das nennt. Künftig will er mit den USA keine Militärmanöver mehr abhalten, mit den Russen und Chinesen könne er sich das hingegen gut vorstellen, ließ Duterte wissen.

Gegen die frühere Kolonialmacht USA zu wettern kommt bei vielen Philippinern gut an, doch dürften Duterte noch zwei andere Überlegungen treiben: Zum einen stammen viele der Drogen, die sein Land überschwemmen, aus China. Ein besseres Verhältnis zu Peking könnte helfen, die Kartelle besser zu bekämpfen. Außerdem setzt Manila auf chinesische Investoren und will den Handel mit dem großen Nachbarn wieder ankurbeln - deshalb die gewaltige Wirtschaftsdelegation. In China lockt ein riesiger Markt für philippinische Bananen, Mangos und Ananas. Außerdem dürfte ein Ausgleich zwischen Peking und Manila die Tourismusbranche im Inselstaat beflügeln. Doch all dies setzt voraus, dass sich beide Länder über territoriale Fragen verständigen oder zumindest den Weg für bilaterale Gespräche ebnen können. Das wäre ganz in Pekings Sinne: Chinas Strategie ist es, multilateralen Foren aus dem Weg zu gehen, man will lieber mit allen Anrainern einzeln verhandeln. Während das Land seine militärische Präsenz in den umstrittenen Territorien ausbaut und die Muskeln spielen lässt, versucht China so, die Nachbarn mit Investitions- und Handelsversprechen auf seine Seite zu ziehen.

© SZ vom 19.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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