Südchinesisches Meer:Die Problem-Inseln

Aufrüsten im Südchinesischen Meer

Ist das schon eine Insel oder doch nur ein "Feature"? So oder so: Dieses Stückchen Land im Südchinesischen Meer ist hoch umstritten.

(Foto: AFP/CSIS )

Das Südchinesische Meer ist zum Symbol eines neuen Kalten Krieges geworden. Wie gegensätzlich die Vorstellungen und Strategie von China und den USA dabei sind, zeigt der Shangri-La-Dialog.

Von Stefan Kornelius, Singapur

Das Duell der Supermächte findet heute im Ballsaal statt, der passenderweise "Island" heißt, wo ja schon einmal ein Kalter Krieg zu Ende verhandelt wurde, damals zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow. Heute liegt "Island" in einem Hotel in Singapur, und in Ostasien steckt der Kalte Krieg noch in den Kinderschuhen. Es treten an: ein Vizeadmiral der chinesischen Marine in blütenweiser Uniform und ein amerikanischer Verteidigungsminister in Zivil.

Der Vizeadmiral sagt, er sei heiser nach so vielen Gesprächsrunden, um dann in den Saal hinein zu dröhnen, so dass man schon fast keine Übersetzung braucht um die dramatischen Passagen der Rede zu erkennen. Der Verteidigungsminister brüllt nicht, dafür schmatzt er nach jedem Absatz, als müsse er genüsslich verdauen, was er da so von sich gibt. Willkommen also zum Shangri-La-Dialog, dem größten öffentlichen Sicherheitspalaver in Asien.

Das Duell der letzten verbliebenen und der nächsten Supermacht findet nicht zufällig im Saal statt. Hier geht es um die Hoheit in den Köpfen, die Deutungskraft von Paragrafen, die Kraft der Argumente. Hier treffen sich die Akteure, die überzeugt werden wollen. Die Auseinandersetzung auf hoher See ist hingegen nur begrenzt sichtbar - markiert durch ein paar Striche auf einer Landkarte, aufgehäuft zu künstlichen Inseln mit Tonnen von Sand, gelegentlich zu beobachten in provokanten Militärmanövern. Das macht die Sache so unberechenbar. Genauso unberechenbar sind die Militärausgaben, die in der Region in die Höhe schießen. Die Vorstände der großen Rüstungskonzerne sind auch im Saal unterwegs - die Kundschaft schätzt Nähe.

Der Konflikt im Südchinesischen Meer hat sich in den vergangenen Wochen zugespitzt. China hat einige seiner künstlichen Inseln so weit ausgebaut, dass Militärflugzeuge darauf landen können. Die USA machen es sich nun zur Routine, die Freiheit der Meere und der Lüfte zu testen, indem sie Fregatten kreuzen lassen und Aufklärungsflugzeuge fliegen lassen. Die Sorge: China könnte eines Tages die Seewege kontrollieren und gar abriegeln, die größte und wichtigste Handelsroute der Welt abschneiden und vor allem seine Nachbarn in die militärische Schutzlosigkeit treiben.

Die Spannung steigt nun vor allem deshalb, weil ein Urteil des Internationalen Seegerichtshofs erwartet wird, in dem die Richter einen Schiedsspruch fällen werden - grob gesagt - über die Rechtmäßigkeit dieser künstlichen Gebilde, die alle Fachleute im Saal lediglich "Feature" nennen, Merkmale, Dinger. Wer sich von dem Urteil Klarheit oder gar eine Lösung des Konflikts verspricht, der wird spätestens nach den Worten des Vizeadmirals enttäuscht sein. Sun Jianguo, stellvertretender Chef des chinesischen Generalstabs und so etwas wie das militärische Sprachrohr Pekings in diesem Konflikt, lässt das Publikum sehr lautstark wissen, dass dieses Urteil sein Land kalt lasse. Die Jurisdiktion des Seegerichtshofs in der Frage erkenne Peking nicht an, die Streitigkeiten würden direkt mit den betroffenen Ländern - in diesem Fall den Philippinen - gelöst.

Sun war freilich nicht im Saal, als der Völkerrechtler Robert Beckmann von der National University of Singapore ruhig und trocken erklärte, dass China mit seiner Rechtsposition alleine dastehe. Ein Blick in die Statuten der UN-Seerechtskonvention reicht aus, um Klarheit zu schaffen. Und China ist nun mal Unterzeichner dieser Konvention. Ein Urteil wäre bindend. Die Statuten: Eine künstliche Insel ist kein Territorium, von dem sich Hoheitsrechte auf dem Wasser - in der Zwölf-Meilen-Zone oder der 200-Meilen-Zone - ableiten lassen. Überhaupt ist nicht geklärt, ob China oder eine andere Nation Anspruch auf die Riffe oder Felsformationen erheben können. Darüber wird man sich noch in Hunderten Jahren trefflich streiten können.

Die Länder der Region vertrauen in Sicherheitsfragen voll und ganz Washington

Eiskalte Juristerei wird freilich wenig ausrichten in diesem Konflikt, auch wenn Beckmann seiner Position zusätzliche Glaubwürdigkeit verleiht, indem er sich als ehemaliger US-Staatsbürger outet, der sich nun von seinem Land "entfreundet" habe. Der Professor setzt noch einen zweiten Treffer, indem er Washington vorwirft, besonders wenig Glaubwürdigkeit bei der Durchsetzung des Völkerrechts aufzubringen. Schließlich sind die USA der Seerechts-Konvention selbst nie beigetreten.

Es ist freilich eine andere Tatsache, dass die Länder der Region ganz auf die USA vertrauen, und sich in Fragen von Schutz und Schild Washington verschrieben haben. So steht dieser Konflikt für das Hauptproblem zwischen China und den USA: Wie viel Amerika ist erträglich für eine selbstbewusste und expandierende Großmacht? Chinas Nachbarn finden nahezu unisono: Es kann nicht genug USA geben, weshalb der Verteidigungsminister des Landes, Ashton Carter, auch beklatscht wird für eine Rede, obwohl sie - so sagen die Shangri-La-Veteranen - an Zahmheit und Zurückhaltung nicht zu überbieten war.

Carter flog gerade noch mit seinem singapurischen Kollegen über die Straße von Malakka und bestaunte das Gewimmel aus Schiffen in dem engen Meereskanal. In wenigen Tagen kommt sein Präsident zu Regierungskonsultationen nach Peking. Viel Lärm würde jetzt also nicht helfen. Also erzeugt Carter einen magischen Dreiklang, verspricht Aufstieg, Wohlstand, Gewinn für alle, die sich an der amerikanischen Idee beteiligen wollen. 37 Mal wiederholt er diese Idee nach Zählung eines Zuhörers: Ein "vorrangiges Sicherheitsnetzwerk" wollten die USA schaffen, ein Geflecht aus Sicherheitspartnerschaften, in dem gemeinsam geübt, gesprochen und transparent gehalten werde - alles brav nach den Regeln des internationalen Rechts, inklusiv, nicht exklusiv.

Inklusiv - das wäre gemeinsam mit China. Allerdings ist der Admiral nicht im Saal, als Carter seinen Vorschlag erklärt. Der neue Kalte Krieg wird also noch weiter gehen.

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