Südafrika:Kleptokrat von nebenan

Jacob Zuma hat mit seinen zahlreichen Skandalen das einstige Hoffnungsland tief in die Krise geführt. Aus Respekt vor seiner Partei, der einstigen Befreiungsbewegung ANC, ertragen ihn jedoch viele Bürger weiterhin als Präsidenten. Südafrika steht am Abgrund.

Von Tobias Zick

Jacob Zuma ist keiner dieser klassischen Kleptokraten, die sich mit veruntreutem Staatsgeld in volksferne Sphären katapultieren. Südafrikas Präsident hat sich seine Bodenständigkeit bewahrt; ein Symbol ist das Anwesen in seinem ärmlichen Heimatort Nkandla. Dem Palast sieht man die Millionen von Euro an Steuergeldern, mit denen Zuma ihn rechtswidrig aufgemotzt hat, nicht gleich an: Die Gebäude auf dem weiträumig abgesperrten Areal sind im Stil von Rundhütten errichtet, die erweiterte Nachbarschaft wird oft zu Festen eingeladen, auf denen der rüstige 73-Jährige das Tanzbein schwingt.

Sich mithilfe der eigenen Macht nicht nur selbst zu bereichern, sondern vielen anderen das mehr oder weniger begründete Gefühl zu geben, sie profitierten mit: Das nennt man Patronage, und Jacob Zuma ist ein Meister dieses Fachs. Mit seiner jovialen Art, die ihn von seinem eher steifen Vorgänger Thabo Mbeki abhebt, hat er es geschafft, sich an die Spitze des African National Congress (ANC) zu drängeln und im Jahr 2009 auch ins Amt des Präsidenten. Und das, kurz nachdem mehr als 700 Verfahren, die - unter anderem wegen Korruption - gegen ihn liefen, eingestellt wurden.

Jeder Südafrikaner kann also seit Jahren wissen, welch zweifelhaften Hintergrund sein Staatschef hat. Viele erklären, sie hätten zwar von Zuma die Nase voll, aber den ANC nicht zu wählen, käme Verrat am Werk der Befreiungskämpfer - allen voran Nelson Mandela - gleich.

Dass Zuma Präsident bleibt, ist Zeichen einer tiefen Krise

Auch von dieser Treue zehrt Zuma bis heute. Am Donnerstag urteilte das Verfassungsgericht, der Präsident müsse einen Teil der Steuermillionen für seine Privatresidenz zurückzahlen, und er habe die Verfassung gebrochen, indem er sich einer entsprechenden Anordnung der staatlichen Ombudsfrau 2014 widersetzte. Statt Zuma nach dem Urteil zum Teufel zu jagen, scharte sich der ANC hinter ihn: erst die Frauenliga, dann die Jugendliga, schließlich auch die Parteiführung. Beim Volk entschuldigte sich Zuma halbherzig für den "Frust" und die "Verwirrung", die der Skandal um sein Luxusheim ausgelöst habe; dabei habe er "in gutem Glauben" gehandelt und "nie wissentlich oder absichtlich gegen die Verfassung verstoßen".

Wer dazu neigt, das Glas halb voll statt halb leer zu sehen, kann das Urteil des Verfassungsgerichts als Beleg dafür feiern, dass die Machtbalance zwischen den Institutionen dieser jungen Demokratie funktioniert. Doch die Tatsache, dass es überhaupt soweit kommen konnte und die Nonchalance, mit der Zuma sich trotz dieses und zahlreicher weiterer Skandale im Amt hält: All das sind Symptome einer tiefen Krise. Trotz einer modernen Verfassung, deren Urheber die Lehren aus den Fehlern anderer postkolonialer Staaten beherzigen wollten, trotz des gewichtigen moralischen Erbes Nelson Mandelas ist es dem heutigen Präsidenten gelungen, die aufgrund ihrer Geschichte für viele alternativlose Regierungspartei zu einem Patronage-Apparat umzubauen.

Selbst wenn die Partei sich noch dazu durchringen sollten, Zuma abzusetzen: Ein eventueller Nachfolger könnte nicht von heute auf morgen die korrupten Strukturen zerschlagen, und der Abwärtskurs der Volkswirtschaft wäre nur sehr langsam zu korrigieren. Arbeitslosigkeit, Armut und Ungleichheit sind so groß, als hätte es die Befreiung von der Apartheid nie gegeben. Das Land steht wirtschaftlich am Abgrund. Und die Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt sind rekordverdächtig niedrig.

Unter den Brics-Staaten, den Schwellenländern, die mal als künftige "Lokomotive der Weltwirtschaft" bejubelt wurden, ist Südafrika das schwächste. Nach Brasilien ist es das nächste der fünf Länder, das unter einer politischen Krise die euphorischen Erwartungen der Vergangenheit begräbt.

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