Südafrika:Haarsträubender Niedergang

Von außen betrachtet, mutet es wie ein Wunder an, dass Jacob Zuma allen Skandalen zum Trotz noch immer Präsident Südafrikas ist. Doch sein Geflecht aus Posten und Patronage hält.

Von Tobias Zick

Von außen betrachtet mutet es wie ein Wunder an, dass Jacob Zuma noch immer Präsident Südafrikas ist. Die Regierungspartei, die traditionsreiche Befreiungsbewegung African National Congress (ANC), hätte in den vergangenen Jahren reichlich Gründe gehabt, sich von ihrem katastrophalen Chef zu trennen. Aber bislang konnte Zuma alle Anwürfe im Parlament, alle Rücktrittsforderungen selbstbewusst beiseitewischen. Daran wird vermutlich auch der Untersuchungsbericht nichts ändern, der Zuma nun schwer belastet.

Vorgelegt hat den Bericht zum Ende ihrer Amtszeit die mutige Ombudsfrau Thuli Madonsela, höchste Korruptionsbekämpferin im Staate. Sie hat Rufmordversuchen und Todesdrohungen getrotzt und spart nicht mit Vorwürfen. Demnach hat der Präsident einer befreundeten Unternehmer-Familie Einfluss auf die Besetzung von Ministerposten gewährt. Die Opposition kündigt für kommende Woche ein Misstrauensvotum gegen den Präsidenten an. Der lässt sich aber auch diesmal demonstrativ nicht beirren und ist nach Veröffentlichung des Skandalberichts erst einmal ins benachbarte Simbabwe gereist, um mit seinem Kollegen Robert Mugabe über eine engere Zusammenarbeit zu beraten. Was fragwürdiges Machtverständnis angeht, kann Zuma von dem alten Despoten und früheren Freiheitskämpfer womöglich noch lernen.

Zuma hat sich über viele Skandale hinweg an der Staatsspitze halten konnte: Ende vergangenen Jahres brachte er die Börsenkurse zum Einsturz, indem er völlig überraschend einen widerspenstigen Finanzminister entließ, der ihm bei dubiosen Geschäften im Weg stand. Im März bescheinigte ihm das höchste Gericht, die Verfassung gebrochen zu haben, indem er mit Staatsgeld sein Privathaus zum Palast ausbaute - und später die Aufforderung der staatlichen Ombudsfrau schlicht ignorierte, einen Teil der Millionen zurückzuzahlen. Der ANC sah bei allem zu.

Eigentlich hätte Jacob Zuma nie Präsident werden dürfen

Der Niedergang der Partei des Friedensnobelpreisträgers Nelson Mandela ist haarsträubend, kommt aber nicht überraschend. Eigentlich hätte Zuma nach moralischen Grundsätzen nie Parteivorsitzender, geschweige denn Präsident Südafrikas werden dürfen. Bevor er 2009 das Amt übernahm, liefen bereits 783 Ermittlungsverfahren gegen ihn, unter anderem wegen Korruption und Betrugs. Die Justiz ließ die Anklage unter undurchsichtigen Umständen fallen. 2006 sagte er in einem später eingestellten Vergewaltigungsverfahren aus, er schütze sich vor HIV-Infektion, indem er nach dem Geschlechtsverkehr heiß dusche.

Doch gerade Zumas robustes, bodenständiges Auftreten hat ihm unter der armen, schwarzen Mehrheit der Südafrikaner trotz allem viele Sympathien eingetragen. Diese beginnt er aber zu verspielen. Bei den Kommunalwahlen im August dieses Jahres verlor der ANC in mehreren Großstädten erstmals seine Mehrheit. Inzwischen fordern auch prominente Parteimitglieder Zumas Rücktritt. Doch im Exekutivrat, dem obersten Gremium des ANC, sitzen derart viele Günstlinge und Profiteure des Systems Zuma, dass der Präsident sich entspannt geben kann.

Es ist deshalb durchaus wahrscheinlich, dass Zuma auch den neuesten Skandal übersteht und sich bis zum regulären Ende seiner Amtszeit 2019 an der Staatsspitze hält. Dann muss der ANC laut Verfassung ohnehin einen neuen Kandidaten aufstellen - und darf darauf vertrauen, dass eine Mehrheit der Südafrikaner der alten Befreiungsbewegung die Treue hält. Zuma hat ein Patronage-Geflecht entstehen lassen, das von den Lokalverwaltungen bis in die höchsten Staats- und Parteiämter wächst. Es dürfte auch unabhängig von seiner Person weiterwuchern.

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