Südafrika:Gräben zwischen Mandelas Erben

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Noch marschieren die Unterstützer von Präsident Jacob Zuma auf den Straßen Südafrikas (hier in Durban), doch sein Rückhalt schwindet. (Foto: Rajesh Jantilal/AFP)

Immer mehr Mitglieder von Südafrikas Regierungspartei ANC wenden sich von Präsident Jacob Zuma ab - jetzt sogar sein eigener Fraktionsführer. Die Wähler verlieren das Vertrauen.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Vernichtender könnte ein Urteil kaum ausfallen: Die heutige Regierung Südafrikas, wettert der Mann, sei in mancherlei Hinsicht schlimmer als das Apartheid-Regime. Die gesamte Führungsriege der Regierungspartei African National Congress (ANC), einschließlich Präsident Jacob Zuma, müsse zurücktreten.

Nun sind solche Töne an sich nichts Neues, man hört sie in allerlei Variationen ständig aus Opposition, Medien und Zivilgesellschaft - doch der Mann, der sie jetzt äußert, gehört selbst dieser Führungsriege an. Jackson Mthembu ist Fraktionschef des ANC im südafrikanischen Parlament. Und er nimmt sich selbst von seinem Rundumschlag nicht aus: "Vielleicht sind wir nicht die Führung, die den ANC noch voranbringen kann."

Seit Monaten brodelt es vernehmlich in den oberen Ebenen der Partei, immer häufiger dringt Kritik nach außen, trotz der ansonsten effizienten Geheimhaltungspolitik. Mthembus Wutrede legt jetzt zweifellos offen: Der ANC ist tief gespalten zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten. Der Politik-Analyst Protas Madlala sieht darin den "Anfang vom Ende" von Zumas Herrschaft.

Der unbequeme Finanzminister ist dem Staatschef lästig

Der Konflikt entzündet sich vor allem an der Personalie des Finanzministers Pravin Gordhan, gegen den die Justiz derzeit wegen des Verdachts auf Betrug ermittelt. Diese Ermittlungen, sagte Fraktionschef Jackson Mthembu, seien rein "politisch motiviert".

Es ist kein Geheimnis, dass Zuma den Finanzminister lieber heute als morgen loswürde, der ist schließlich dessen lästigster Kritiker innerhalb der Regierung und sperrt sich immer wieder gegen dessen mitunter haarsträubende Ausgaben-Pläne. Etwa gegen das Vorhaben, acht russische Atommeiler im Land bauen zu lassen.

Vergangene Woche hatte sich bereits Vizepräsident Cyril Ramaphosa, der als wahrscheinlicher Kandidat für die Nachfolge Zumas gilt, zu dem Fall geäußert - und dem Finanzminister seine "Unterstützung" zugesichert. Auch aus der Privatwirtschaft bekommt Gordhan Rückendeckung: In einer Zeitungsannonce vom Sonntag hatten die Chefs von mehr als 80 Unternehmen gemeinsam erklärt, sie stünden "für Rechtsstaatlichkeit" und gegen die "nach Ansicht von Rechts-Experten" unbegründete Verfolgung des Finanzministers.

Ein pensionierter Verfassungsrichter, Johan Kriegler, kommentierte das Verfahren mit den Worten, Südafrika, das Land von "Madiba" - so ein gängiger Spitzname für den Landesvater und Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela, der als erster Präsident nach dem Ende des Apartheid-Regimes 1994 antrat - werde inzwischen "wie ein Kiosk regiert". Es sei "erschreckend", dass Gordhan "wie ein gewöhnlicher Krimineller" auf der Anklagebank erscheinen müsse.

Privates Luxusanwesen mit Steuergeldern

Die Krise des ANC hatte zuletzt im August einen Höhepunkt erreicht, als die Partei bei den Kommunalwahlen in mehreren Großstädten ihre Mehrheit verlor und ihre Stühle für Kandidaten der Opposition freimachen oder zumindest Koalitionen eingehen musste. Parteiinterne Kritiker machen Staats- und Parteichef Zuma und dessen Korruptionsskandale für den Vertrauensverlust bei den Wählern verantwortlich.

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Im März etwa hatte das Verfassungsgericht geurteilt, der Präsident habe sich rechtswidrig mit Steuergeld seine Privatresidenz zum Luxus-Anwesen ausgebaut. Die Attacken auf den unbequemen Finanzminister sind aus Sicht von Kritikern nur der jüngste von zahlreichen Versuchen Zumas, Widersacher ruhigzustellen.

Die staatliche Ombudsfrau Thuli Madonsela, deren Amtszeit Mitte Oktober 2015 endete, hatte zuvor einen umfassenden Bericht über die Einflussnahme einer mit Zuma befreundeten indischen Unternehmerfamilie auf die Politik erarbeitet - die Veröffentlichung des Berichts ließ der Präsident per Eilantrag vor Gericht verhindern.

Der Regierungspartei droht der Machtverlust

Wenn die Parteiführung so weitermache und interne Kritik unterdrücke, warnte Jackson Mthembu jetzt in seiner Wutrede, könnte sie bei der nächsten Parlamentswahl 2019 die Macht verlieren: "Wir haben es vermasselt. All diese Dinge sind unter unseren Augen passiert."

Wenig später freilich zeigte sich, wie zuverlässig die Reflexe der Zuma-Getreuen im Parteiapparat nach wie vor funktionieren. Der Vorsitzende der Veteranen-Organisation im ANC, Kebby Mapatsoe, forderte, Mthembu müsse seines Postens als Fraktionschef enthoben werden: "Er wird im Parlament zum Problem werden." Der Sprecher des ANC-Regionalverbandes in KwaZulu-Natal, Zumas Heimatregion, erklärte, Mthembu erhebe sich mit seiner Kritik "über das Kollektiv des ANC".

Dieses Verhalten sei "gefährlich", der Fraktionschef müsse für seine "populistischen" Äußerungen zur Verantwortung gezogen werden. Die ANC-Jugendliga, deren Vorsitzender kürzlich dazu aufgerufen hatte, "zu den Waffen zu greifen", um Präsident Zuma gegen seine Widersacher zu verteidigen, warf dem Fraktionschef "mangelnde Disziplin" vor.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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