Südafrika:Gefährlicher Frust

Südafrika: Eine Frau in Soweto prüft ihre Papiere, bevor sie ihre Stimme abgibt. Die Kommunalwahlen gelten als wichtiger Test für Südafrikas Regierung.

Eine Frau in Soweto prüft ihre Papiere, bevor sie ihre Stimme abgibt. Die Kommunalwahlen gelten als wichtiger Test für Südafrikas Regierung.

(Foto: John Wessels/AFP)

Bei den Kommunalwahlen in Südafrika könnte der ANC erstmals an Macht verlieren. Die einstigen Freiheitskämpfer verspielen ihr hohes Ansehen.

Von Tobias Zick, Johannesburg/München

Umtost von Trillerpfeifenlärm und Protestliedern marschiert die junge Frau auf das betongraue Hochhaus zu, die Zentrale des African National Congress (ANC), Südafrikas Regierungspartei. Sie ist gekommen, um ihren führenden Genossen mitzuteilen, dass sie es zu weit getrieben haben.

"Unser Bezirk ist kein Schuttabladeplatz" steht auf einem handgeschriebenen Plakat, das ein Mann aus der Menge der verwaschenen Fassade entgegenreckt. Die Parteioberen haben ihnen für die Kommunalwahl einen Kandidaten vorgesetzt, der nicht aus ihrer Gegend stammt und den sie nicht gewählt haben; der sich offenbar einzig als Getreuer der Führungsriege um Präsident Jacob Zuma verdient gemacht hat. Um dagegen zu protestieren, sind sie mit Bussen angereist, aus ihrer Siedlung nördlich der Metropole Johannesburg, aber schon kurz darauf wird klar, dass es in Wahrheit um viel Grundsätzlicheres geht.

"Unser ANC hat ein Problem namens Korruption", sagt die junge Frau. Sie heißt Nompilo Nkosi, ist 21 Jahre alt und studiert Ingenieurswesen. Eine Angehörige der "Born Free Generation", geboren kurz nach dem Ende der Apartheid, in Freiheit. "Ich weiß, wem ich das zu verdanken habe", sagt sie. "Ich stehe zum ANC, ich werde ihn auch diesmal wählen. Aber die Partei braucht neues Führungspersonal, einen Mentalitätswandel."

Szenen wie diese hat es viele gegeben in den vergangenen Wochen, den Wochen vor der südafrikanischen Kommunalwahl an diesem Mittwoch. In Teilen der Hauptstadt Pretoria brannten im Juni Barrikaden und Autos, nachdem der ANC erklärt hatte, dass nicht der im Volk beliebte Bürgermeister erneut antreten werde, sondern eine vor Ort wenig bekannte Kandidatin, die zufällig aus Zumas Heimatregion stammt. Bei den Ausschreitungen starben zwei Menschen, in anderen Regionen wurden insgesamt zwölf ANC-Mitglieder getötet, mutmaßlich durch parteiinterne Rivalen. Und immer wieder haben sich Menschen versammelt, um gegen Misswirtschaft, Gier und Korruption in ihrer Regierung zu protestieren.

Zuma dürfe mit seiner Korruption nicht durchkommen, sagen viele. Aber dafür den ANC abwählen?

Ende März etwa verkündete das Oberste Gericht des Landes, dass Präsident Zuma einen Teil der Steuermillionen zurückzahlen müsse, mit denen er sich seine Privatresidenz zum Luxus-Anwesen ausgebaut hatte. Drei Monate vorher hatte der Präsident den weithin angesehenen Finanzminister gefeuert, der ihm bei diversen kostspieligen Plänen im Weg stand. Die bizarre Personalie ließ Währungs- und Aktienkurse abstürzen. Der Höhepunkt einer langfristigen Entwicklung: Die Volkswirtschaft steckt in der Krise; die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 27 Prozent, dürfte Schätzungen zufolge aber über 40 Prozent betragen. "Unsere Straßen sind voller Schlaglöcher, der Müll wird nicht abgeholt und stinkt vor sich hin", sagt die 63-jährige Marion Mahamba aus der Township Alexandria bei Johannesburg, "und Strom und Wasser werden jeden Monat teurer. Wie soll ich das alles noch bezahlen?"

Der Frust im Volk ist inzwischen so groß, dass der ANC manchen Umfragen zufolge bei dieser Kommunalwahl in drei Großstädten - Pretoria, Johannesburg und Port Elizabeth - seine absolute Mehrheit verlieren könnte. Die immer noch als zu "weiße" Partei verschriene Democratic Alliance (DA) hat vor allem unter Angehörigen der schwarzen Mittelschicht an Zuspruch gewonnen, während die "Economic Freedom Fighters" (EFF) den Zorn der Arbeitslosen und zu Hungerlöhnen Beschäftigten artikulieren. Deren Vorsitzender Julius Malema war einst Chef der ANC-Jugendorganisation, ehe er sich mit Jacob Zuma überwarf und den Präsidenten seither von scharf links attackiert.

"Es ist gut, dass es Malema gibt", sagt Thabiso Tladi, 30 Jahre alt und arbeitsloser Mechaniker aus Alexandria. "Zuma und seine korrupte Truppe dürfen nicht einfach so durchkommen." Wird er also für den EFF stimmen? Er lacht: "Nein, das sicher nicht. Die Freiheit, in der ich aufgewachsen bin, hat mir der ANC gebracht, das kann ich nicht einfach so vergessen."

So sehen es bis heute viele Südafrikaner: Die Partei, die das Land vom Apartheid-Regime befreit hat, darf nicht verraten werden; der Wandel muss von innen kommen. Das ist die Basis, auf der sich Zuma und seine Entourage bislang ausruhen konnten - bei dieser Kommunalwahl könnte sie spürbar erodieren. Und auch wenn die Umfragen sich nicht bewahrheiten, wenn der ANC seine Mehrheit verteidigt: "Auch treue Parteimitglieder rufen inzwischen laut nach einem Wandel", sagt William Gumede, einer der angesehensten politischen Analysten des Landes. "Das hat es bislang nicht gegeben. Die Leute stellen erstmals offen die Frage: Ist das noch der ANC, zu dem ich gehören möchte? Das ist doch zunächst einmal ein Zeichen dafür, dass unsere demokratische Kultur sich weiterentwickelt."

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