Südafrika:Das Leben und der Tod von Steve Biko

SAFRICA-BIKO-APARTHEID

Steve Biko in seinem Todesjahr 1977: "So oft wird so viel zu uns, über uns und für uns gesprochen, aber nur ganz selten sprechen wir selbst."

(Foto: AFP)

Vor 40 Jahren brachten südafrikanische Polizisten den schwarzen Studentenführer zum Schweigen. Der Mord diskreditierte die Apartheid weltweit.

Von Lars Langenau

"September '77, Port Elizabeth, weather fine. It was business as usual, in police room 619, Oh Biko, Biko, because Biko, Oh Biko, Biko, because Biko. Yihla Moja, Yihla Moja. The man is dead." "Biko" von Peter Gabriel

Vor 40 Jahren läutete der Tod eines schwarzen Studentenführers das Ende der Apartheid in Südafrika ein. Der 12. September 1977 wurde zum Trauma für die schwarze Mehrheit in Südafrika - und zum Wendepunkt der Stimmung der Weltöffentlichkeit gegenüber dem rassistischen Burenregime.

20 Jahre später standen die für seinen Tod verantwortlichen Polizisten vor der Wahrheitskommission, die für Versöhnung in Südafrika sorgen sollte. Trotz eines Teilgeständnisses verweigerte ihnen die Kommission die Amnestie. Doch für ihre Tat büßen mussten sie nie. Es muss allerdings auch ein erbärmliches Schauspiel gewesen sein, als die Beamten 1999 noch einmal ihre Version des Todes von Steven Biko erzählten. Harold Snyman, der 1977 das Verhör gegen den Oppositionellen geleitet hatte, erklärte, man habe Biko den Schlaf entzogen, um ihn gefügig zu machen. Im berüchtigten Folterzimmer "Police-Room-6-1-9" im Hauptquartier der Sicherheitspolizei von Port Elisabeth sei der 30-Jährige dann aber aggressiv geworden und habe sich, trotz Beineisen, auf die Beamten gestürzt.

Jakobus Beneke, Daniel Siebert, Gideon Niewoudt, ein weiterer Sergeant und eben er, Snyman, hätten sich lediglich selbst verteidigt. Beim Kampf sei Biko dann gestürzt und hart mit dem Kopf gegen einen metallenen Aktenschrank oder die Wand geschlagen, es sei quasi ein Unfall gewesen. "Er lag da wie ein Boxer, der k. o. gegangen ist", sagte Snyman.

Doch statt sich um ihn zu kümmern, warf man ihn für zwei Tage in eine Einzelzelle und fesselte ihn dort - obwohl ohne Bewusstsein - mit Handschellen ans Gitter. Angeblich um einen Selbstmord vorzubeugen. Angekettet, fast nackt und mit schwerer Schädelverletzung, gebrochenen Rippen und zerschlagener Niere wurde er 1200 Kilometer auf der Pritsche eines Land Rovers der Polizei zum Armeekrankenhaus in Pretoria gefahren. Als er nach zwölf bis 14 Stunden ankam, starb Stephen Bantu Biko, den alle nur Steve Biko nannten, am Abend des 12. September 1977 in der Hauptstadt an seinen Verletzungen.

"Das lässt mich kalt"

Immerhin gab der Polizist Snyman zwei Jahrzehnte später zu, dass Biko in seiner Obhut von seinen Beamten mit einem Wasserschlauch und Fäusten geschlagen worden sei. Einen Tag nach dem Tod des Vaters von drei kleinen Kindern hieß es zunächst, Biko sei an einem Hungerstreik gestorben, dann soll er sich die Verletzungen selbst zugeführt haben. Schließlich wurde auf Druck von weißen Liberalen eine Untersuchung eingeleitet, die überdeutliche Spuren von Gewaltanwendung an der Leiche dokumentierte. Doch dem Bericht zufolge war eine Beteiligung der Polizisten auszuschließen.

Auch der damalige Justizminister James Thomas Kruger leugnete lange den gewaltsamen Tod von Biko. Als er dann doch die wahre Todesursache eingestehen musste, kommentierte er nur: "Dit laat my koud" (das lässt mich kalt). Aber Vertrauen hatte er da außerhalb seiner Nationalen Partei schon lange nicht mehr: Innerhalb weniger Monate gab es Dutzende Fälle von angeblicher "Ungeschicklichkeit", die zum Tod von schwarzen politischen Gefangenen geführt haben sollen: in der Dusche auf der Seife ausgerutscht, auf der Treppe gestolpert, über einen Stuhl gefallen, aus dem Fenster gestürzt, sich beim Essen verschluckt, sich selbst erhängt oder von eigener Hand erdrosselt, so einige der offiziellen Todesursachen.

Die Bewegung des schwarzen Bewusstseins

Biko wurde 1946 in King Williams Town als eines von vier Kindern geboren, seine Eltern gehörten zur unteren Mittelschicht. Bereits als Kind galt er zwar als wild, aber auch als überdurchschnittlich intelligent. Er bekam ein Stipendium und begann 1966 ein Medizinstudium. Er formte die erste schwarze Studentenbewegung, aus der dann die "Black Consciousness Movement" (Bewegung des schwarzen Bewusstseins) entstand.

Zeitgleich mit der Black-Power-Bewegung in den USA, propagierte seine Organisation die gewaltfreie und eher psychologisch gedachte "Entsklavung" und "Dekolonialisierung" der Schwarzen. "So oft wird so viel zu uns, über uns und für uns gesprochen", sagte er, "aber nur ganz selten sprechen wir selbst." Wie dem Vordenker der Entkolonialisierung, Frantz Fanon, ging es auch Biko vor allem um die Befreiung von schwarzen Minderwertigkeitsgefühlen gegenüber den Weißen. In Bikos Worten: "Der Grundkern dieser Philosophie ist, dass nur der Schwarze selbst seine eigene Situation verbessern kann, indem er die Systeme analysiert, die ihn zum Mitglied einer Gesellschaft machen."

Wie kaum ein anderer verstand er es, die systematischen Drangsalierungen der Schwarzen durch die weiße Minderheit darzulegen und - selbst unter dem Druck der weißen Justiz - ohne Furcht anzuprangern: Ausschluss von Bildung, Passgesetze, Verfrachtung in Townships, Trennung von Familien, Zwangsumsiedlungen, Überwachung, Polizeigewalt, Zensur, Bann, willkürliches Einsperren ohne Gerichtsbeschluss.

Für ein Südafrika mit "menschlichem Antlitz"

In den 70er Jahren war der ANC längst verboten und seine Führer saßen seit Jahren im Gefängnis oder waren im Exil. In dieses Vakuum stieß Biko mit seiner neuen Bewegung des schwarzen Selbstbewusstseins, die für Südafrika "die größte nur mögliche Gabe" erstrebte: "ein menschliches Antlitz". Sein Charisma, Charme und seine intellektuelle Brillanz waren berühmt, aber er war weder ein Prediger der Gewalt noch der Kommunist, als den ihn die herrschenden Buren an den Pranger stellten. Seine Worte und Gedanken machten ihn zum Feind. 1973 wurde er zunächst mit einem Bann belegt und agierte im Untergrund.

1976 aber kam es zu großen Schülerdemonstrationen, weil Afrikaans zur verpflichtenden Unterrichtsprache in den höheren Schulen werden sollte. Im gleichen Jahr schoss die Polizei im Johannesburger Township Soweto in die Menge - und Südafrika stand in Flammen. Die Polizei reagierte abermals mit großer Härte und einer beispiellosen Verhaftungswelle. Biko wurde am 18. August 1977 auf dem Rückweg von einer politischen Versammlung in Port Elisabeth festgenommen. Ein konkretes Verbrechen warf man ihm nicht vor, vielmehr machten die geltenden Antiterrorgesetze die Festnahme möglich. 26 Tage später war er tot.

Seine Beerdigung wurde zur politischen Demonstration. Seinen Sarg begleiteten Zehntausende, darunter Vertreter westlicher Regierungen. Beobachter stellten seinen Tod in die Reihe von John F. Kennedy und Martin Luther King. Sein Name verbreitete sich rund um die Welt und mit seinem Tod die Abneigung gegen ein System, in dem eine weiße Minderheit über die schwarze Mehrheit herrschte, sie entrechtete, ausgrenzte und nur als billige Arbeitskräfte einsetzte.

1980 setzte ihm Peter Gabriel in seinem Klagelied ein musikalisches Denkmal, 1987 sahen 150 Millionen Menschen die Verfilmung seines Lebens in Richard Attenboroughs "Schrei nach Freiheit". Trotzdem sollte das Apartheid-System noch bis 1994 andauern. Aber seit dem 12. September 1977 und dem Aufstand von Soweto ging es seinem schleichenden Untergang entgegen.

Noch heute wird in Südafrika gefragt, welche Rolle Steve Biko im neuen Staat eingenommen hätte. Neben den ANC-Politikern Nelson Mandela, Walter Sisulu, Oliver Tambo und dem 1993 ermordeten Chris Hani ist er zweifellos einer der großen Helden der Anti-Apartheidsbewegung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: