Suche nach Helfern der Terrorzelle NSU:Die Spur der Waffen

Eine Pumpgun "Moosberg", eine Pumpgun "Winchester", eine Maschinenpistole, diverse Revolver, sogar eine Handgranate: Insgesamt 19 Schießgeräte hatte das Terrortrio von Zwickau in seinem Arsenal. Die Herkunft der Gewehre soll die Ermittler zu ihren Helfern führen. Eine Spur führt in die Schweiz, doch viele Spekulationen taugen nicht einmal für den Augenblick.

Hans Leyendecker

Am 25. April 2007 parkten die Polizistin Michèle K., 22, und ihr Kollege Martin A., 25, mit ihrem Dienstwagen, einem 5er-BMW-Kombi, auf einem Parkplatz in Heilbronn. Sie machten Pause und weil es schon warm war, hatten sie die Fenster geöffnet. Da traten zwei junge Männer neben das Auto. Der eine schoss der Polizistin mit seiner Pistole, einer russischen Tokarew TT- 33, in den Kopf. Sie war sofort tot. Der andere feuerte aus einer Pistolet Vis wz. 35, die als Radom-Pistole bekannter ist, auf sein Opfer. Der Polizist Martin A. überlebte schwer verletzt.

Mordserie Neonazis - Spurensicherung im Fall Kiesewetter

Auf der Heilbronner Theresienwiese wurde im April 2007 eine Polizistin erschossen, ihr Kollege schwer verletzt.

(Foto: dpa)

Wer die Mörder waren, steht seit einigen Wochen fest: Die Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt haben sich in ihrer Selbstbezichtigungs-DVD der Tat gerühmt. Und in den Trümmern des Hauses in der Zwickauer Frühlingsstraße, in dem die beiden Killer mit der Terroristin Beate Zschäpe lebten, fanden Ermittler die Tokarew und die Radom. Für die Ermittlungseinheit "Trio", die zehn Morde, vierzehn Banküberfälle und zwei Sprengstoffanschläge aufklären will, sind die Waffen eine Spur, die zu Hintermännern und Helfern des braunen Terror-Netzwerks führen kann.

Es geht um ganz viele Waffen. 19 Schießgeräte hatten die Killer in ihrem Arsenal: darunter eine Pumpgun Moosberg, eine Pumpgun Winchester, eine Ceska 70, eine Ceska 83, eine Maschinenpistole, diverse Revolver und auch eine Handgranate. Zu dem Waffenlager gehörten auch die beiden Heckler&Koch P 2000, die sie in Heilbronn der Polizistin und dem Polizisten abgenommen hatten. Elf der Waffen wurden durch das Feuer und die Explosion stark beschädigt. Spezialisten besserten die Schießgeräte aus. Fachleute sprechen vom "Rückbau der Waffen". Die entscheidende Frage ist: Wer hat der Terrorbande, die sich "Nationalsozialistischer Untergrund" nannte, bei der Aufrüstung geholfen?

Die Ermittler scheinen voranzukommen. Alle Mordwaffen sind mittlerweile identifiziert. Es stand schon lange fest, dass die buchstäbliche Liquidierung von neun türkischen und griechischen Einwanderern zwischen 2000 und 2006 mit einer Ceska, Modell 83, Kaliber 7.65 Millimeter begangen wurde. Klar war auch, dass ein Schweizer Waffenimporteur Anfang der neunziger Jahre 24 dieser Waffen importiert und alle Pistolen an konzessionierte Waffenhändler in der Schweiz weiterverkauft hatte. 16 der Waffen wurden vor einigen Jahren von Kantonspolizisten aufgespürt. Die gesuchte Pistole war nicht darunter. Acht Waffen mit acht verschiedenen Nummern blieben verschwunden. Jetzt tauchte die Tatwaffe in den Schuttbergen auf. Auch die Nummer steht jetzt fest und der Weg der Waffe kann möglicherweise rekonstruiert werden. Wahrscheinlich hat ein Fachhändler die Waffe an eine Privatperson in der Schweiz verkauft, die sie dann weitergereicht hat. Bis 1998 durften in der Schweiz Privatpersonen ohne Meldung bei der Polizei und sogar ohne Vertrag ihre Waffen verkaufen.

Furchterregende Wirklichkeit

Einige Spuren scheinen in diesem Fall zu Rechtsradikalen in die Schweiz zu führen, aber dieser Eindruck ist auch nur eine der vielen Momentaufnahmen, nicht mehr. Andere Spekulationen, die am Mittwoch kursierten, taugen nicht mal für den Augenblick. Kolportiert wurde, dass deutsche Verfassungsschützer wahrscheinlich Augenzeugen des Mordes in Heilbronn gewesen seien. Das gehe aus einem angeblichen Observationsprotokoll eines realen amerikanischen Nachrichtendienstes hervor. Alle in Frage kommenden Behörden dementieren heftigst. Der in dem angeblichen Protokoll geschilderte Ablauf einer "Schießerei", hält einer Tatortanalyse nicht stand.

Die Wirklichkeit ist weit banaler, aber furchterregend ist sie auch: Allein in den Jahren 2009 und 2010 beschlagnahmten Ermittler bei Rechtsextremisten 811 Waffen. Darunter waren 15 Faustfeuerwaffen, 16 Langwaffen, sechs Kriegswaffen oder wesentliche Teile von Kriegswaffen und 40 Spreng-und Brandvorrichtungen. Diese Zahl geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor. Die Killer Böhnhardt und Mundlos hatten offenbar einen stetigen Bedarf nach Waffen. Darauf deutet auch die Festnahme des früheren NPD-Funktionärs Ralf Wohlleben hin, der verdächtigt wird, der Mörderbande 2001 oder 2002 eine Schusswaffe und Munition verschafft zu haben. Er soll damals das Schießgerät einem Kurier übergeben haben. Die Bundesanwaltschaft wirft Wohlleben unter anderem Beihilfe zu sechs Morden vor.

Die Waffe, so steht es im Haftbefehl, müsse "nicht ursächlich für die Morde" gewesen sein. Es reiche, wenn sie die "Handlungsmöglichkeiten" der Bande vergrößert habe. Ob es die russische Tokarew, die polnische Radom oder eine andere Waffe war, ist unklar. Die Ceska, Modell 83, war es nicht. Sie war schon 2000 die Mordwaffe in Nürnberg. Als Helfer der Bande in früher Zeit, also bis 2001, wäre Ralf Wohlleben wohl straffrei geblieben. Unterstützerhandlungen verjähren nach zehn Jahren. Die Beihilfe zum Mord erst nach zwanzig Jahren. Die furchtbaren Waffennarren hat er gut gekannt - und ihr Ende war entsprechend. Böhnhardt hielt im Tod eine Waffe in der Hand, aus der kein Schuss abgegeben worden war. Mundlos hatte ihn erschossen und sich dann selbst gerichtet. Und die Maschinenpistole, eine Pleter aus Kroatien, hatte Ladehemmung.

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