Stuttgart 21:"Richtig, was wir da bauen"

Christoph Ingenhoven ist der umstrittene Architekt des Bahnprojekts "Stuttgart 21". Lange hat er die Kritik an seinem großen Werk ertragen - nun setzt er sich vehement zur Wehr.

Dagmar Deckstein

Der verbale Schleichgang nach Diplomatenart ist seine Sache nicht. Wenn es um sein aktuelles Lieblingsprojekt geht, "das neue Herz Europas" alias "Stuttgart 21", redet der Düsseldorfer Architekt Christoph Ingenhoven gerne Klartext. Das geht dann so: "Ich finde es respektlos, dass sich Nichtfachleute, und das ist in diesem Fall auch Frei Otto, Urteile erlauben über Ingenieurbau und besonders im Tunnelbereich." Baden-Württemberg habe eine "jahrhundertelange Erfahrung im Tunnelbau", und weil am Bahnhofsprojekt die "besten Experten weltweit" arbeiteten, gebe es auch " keinen Grund zur Panikmache".

Architekt verteidigt Stuttgart 21

Kann die Kritik nicht verstehen: Stutgart-21-Architekt Christoph Ingenhoven.

(Foto: dpa)

Im Moment bekämpfen sich die Protest- und die Gegenprotestszene vor Deutschlands umstrittenster Baustellemit bauarchitektonischen und denkmalschützerischen Argumenten. Und seit die Architektenlegende Frei Otto, Ingenhovens "verehrter Lehrmeister", wie er sagt und über neun Jahre sein Begleiter bei "Stuttgart 21", massive Kritik übt, hat es sich für Ingenhoven erst einmal ausverehrt. Otto hatte vor den unberechenbaren Gesteins- und Grundwasserverhältnissen im Stuttgarter Talkessel gewarnt und fürchtet um Leib und Leben der Menschen, für die der alte Kopfbahnhof unter die Erde gelegt werden soll.

Er mischt sich wieder ein

Schon 1997 hatte Christoph Ingenhoven, 50, damals noch als Ingenhoven, Overdiek und Partner firmierendes Architektenbüro, den Wettbewerb um die Neugestaltung des Stuttgarter Hauptbahnhofs unter 190 Mitbewerbern gewonnen. Dutzende internationale Auszeichnungen hat er dafür bekommen. Jetzt, da es ernst wird, die ersten Abrissarbeiten vorgenommen werden und die Protestaktionen Tausender Stuttgarter Bürger schon gar nicht mehr abreißen, läuft Ingenhoven zu großer Form auf. Jetzt mischt er sich wieder ein, nachdem er sich jahrelang zurückgehalten hat, "weil ich nach wie vor gut und richtig finde, was wir da bauen". Viel Unterstützung von den Projektpartnern aus Bahn und vor allem Politik bekommt er dabei nicht, die haben eine große Koalition des Schweigens gebildet.

Den Stuttgartern, die ihre Liebe zum alten Bahnhof entdeckt haben und ihn inbrünstig gegen die Bagger verteidigen, hält er "Historismus-Seligkeit" vor, dem klassizistischen Kasten seines Vorgängers Paul Bonatz von 1928 bescheinigt er einen gewissen Ritterburg-Charakter, seinen ehemaligen Mit-Architekten für "Stuttgart 21", Frei Otto, bezichtigt er, nicht einmal eine Frühstatik berechnen zu können. Im Übrigen verweist er darauf, dass die Stuttgarter S- und U-Bahnen seit 35 Jahren noch tiefer führen als die Züge im geplanten Tiefbahnhof und auch nicht, wie Frei Otto menetekelt, von unterirdischen Wassermassen "wie ein U-Boot aus dem Meer" an die Erdoberfläche gespült worden seien.

Die Seitenflügel des Bahnhofs, dessen nördlicher gerade abgerissen wird, müssten zwingend weichen. Dafür streitet Ingenhoven jetzt mit einem Stuttgarter Grünen-Politiker, der ihn der Lüge bezichtigt: Der Denkmalschutz hätte diesem Abriss seinerzeit mitnichten zugestimmt. Nun droht Ingenhoven dem Grünen mit dem Kadi.

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