Studie zu Zwangsarbeit und Menschenhandel:Fast 30 Millionen Menschen leben als Sklaven

ONE OF THE FEW REMAINING LEGAL PROSTITUTES IN TAIWAN POSES IN HER BROTHEL IN TAIPEI

Moderne Sklavinnen: Viele Prostituierte arbeiten unter Zwang in Bordellen - auch in Deutschland.

(Foto: REUTERS)

Unfrei, verkauft, missbraucht: Auch im 21. Jahrhundert leben Millionen Menschen in Sklaverei. Der erstmals veröffentlichte Sklaverei-Index zeigt, dass es deutlich mehr Betroffene als bislang angenommen gibt. Dabei zeigt sich: Fast alle Länder der Erde sind betroffen. Auch Deutschland.

Moderne Sklaverei hat viele Formen: Manche Menschen werden in sie hineingeboren, andere geraten in die Hände von Menschenhändlern oder müssen ihre Freiheit bei der Hochzeit aufgeben.

Wie unterschiedlich Sklaverei im 21. Jahrhundert aussehen kann, zeigt eine Studie der australischen Stiftung Walk Free Foundation, die 162 Länder untersucht und daraus einen globalen Sklaverei-Index erstellt hat. Die Kernaussage: Es gibt weltweit mehr versklavte Menschen als bislang angenommen - wahrscheinlich fast 30 Millionen. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hatte die Zahl der Zwangsarbeiter in der Vergangenheit auf lediglich knapp 21 Millionen geschätzt.

Die Autoren der neuen Studie zählen unter moderne Sklaverei alle Formen von Leibeigenschaft, Zwangsarbeit und Menschenhandel. Die meisten unfreien Menschen gibt es demzufolge in Indien (14 Millionen). Es folgen Pakistan mit drei Millionen und China mit zwei Millionen. Drei Viertel der weltweit Versklavten leben in nur zehn Ländern.

Auch reiche Länder betroffen

Indien weise das komplette Spektrum moderner Sklaverei auf, schreiben die Autoren der Studie. Dazu gehören schwere Formen von Erbsklaverei, Kinderarbeit, Zwangsheirat und kommerzieller sexueller Ausbeutung. Die schlecht funktionierende indische Justiz mache es den Opfern schwer, ihr Schicksal publik zu machen und rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Anteilsmäßig leben die meisten Sklaven in Mauritanien. In dem westafrikanischen Land sollen etwa vier Prozent der Bevölkerung in sklavereiähnlichen Zuständen leben. Hier wird der Sklavenstatus oft vererbt, das heißt, die "Besitzer" verfügen auch über die Nachkommen ihrer Sklaven. Die männlichen Untergebenen arbeiten meist in der Viehwirtschaft, die Frauen und Mädchen im Haushalt, wo sie häufig Opfer sexuellen Missbrauchs werden.

Generell gebe es in jedem Land Sklaven, mahnen die Autoren der Studie. Auch in reichen Staaten. Dort seien die Zahlen sogar zehn Mal höher als ursprünglich angenommen. Wegen ihrer durchlässigen Außengrenzen und der starken Nachfrage nach billigen Arbeitskräften seien die USA und Kanada ein beliebtes Ziel für Menschenhändler. Fast 60.000 Menschen würden in den USA so ausgebeutet, dass man sie als Sklaven bezeichnen könne.

In Deutschland leben demnach etwa 10.000 "Sklaven". Allerdings ist diese Zahl eine sehr grobe Schätzung, da für Deutschland keinerlei konkrete Zahlen zu ermitteln waren.

Daten für den Kampf gegen Sklaverei

Der Sklaverei-Index sowie der dazugehörige Bericht erscheinen zum ersten Mal. Von nun an will die Walk Free Foundation jährlich Zahlen zu moderner Sklaverei veröffentlichen.

Dabei versteht die Organisation ihre Studie als wichtigen Beitrag zum Kampf gegen jede Art der Unfreiheit und Leibeigenschaft. "Wenn man Sklaverei nicht messen kann, kann man sie nicht bekämpfen", sagte Nick Grono, Geschäftsführer der Walk Free Foundation. Hinter der Stiftung steht nach Angaben einer Pressesprecherin der australische Rohstoffmagnat Andrew Forrest. Er habe die Stiftung mit eigenem Geld vor wenigen Monaten gegründet.

Für ihre Rangliste hat die Stiftung Daten von Regierungen, NGOs und Journalisten gesammelt und diese mit eigenen Studien kombiniert. Auch Zahlen von Unicef über Kinderheirat sind in das Ranking miteingeflossen. Trotzdem, so betonen die Autoren, seien die Zahlen nur Schätzungen: Sklaverei sei durch die Illegalität ein schwer zu untersuchendes Phänomen.

In den kommenden Jahren will die Stiftung zunehmend eigene Daten zu moderner Sklaverei erheben. Mit zusätzlichem Material werden die Schätzungen genauer, meinen die Forscher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: