Studie zu Kindergeld und Kinderfreibetrag:Teuer und wirkungslos, aber gewollt

Nach einer Kindergelderhöhung haben Familien mehr Geld als vorher? Falsch. Einer Studie zufolge verbessern Kindergeld und Kinderfreibeträge die wirtschaftliche Lage von Familien kaum - und verursachen außerdem massive Folgekosten. Politisch gewollt sind sie trotzdem.

Von Barbara Galaktionow

Mit etwa 39 Milliarden Euro werden Familien derzeit jährlich über Kindergeld oder den - für höhere Einkommen relevanten - Kinderfreibetrag finanziell unterstützt. 39 Milliarden Euro - das entspricht etwa einem Drittel des Gesamtvolumens aller familienbezogenen Leistungen. Davon ist allerdings nur etwa die Hälfte eine tatsächliche Förderleistung, die andere ergibt sich aus der verfassungsgemäßig vorgeschriebenen Freistellung des Existenzminimums.

Das Kindergeld wurde in den vergangenen 20 Jahren deutlich erhöht: Betrug es noch vor einer großen Reform im Jahr 1996 nur 70 Mark für das erste Kind und 120 Mark für das zweite Kind), so werden inzwischen für das erste und zweite Kind 184 Euro pro Monat gezahlt. Haushalte mit Einkommen von mehr als 63.500 Euro können über den Kinderfreibetrag noch darüber hinausgehende Steuerabzüge geltend machen.

Eltern selbst beurteilen das Kindergeld fast durchweg positiv: In einer Forsa-Studie im Auftrag der Zeitschrift Eltern sprach sich zuletzt nur eine verschwindend geringe Anzahl der befragten 1000 Eltern für eine Abschaffung aus. Und auch in der Politik ist die Leistung nicht umstritten - ganz im Gegenteil.

Die Oppositionsparteien planen in ihren - zum Teil noch vorläufigen - Wahlprogrammen zufolge eine Erhöhung der Leistung oder einen Ausbau hin zu einer Kindergrundsicherung (mehr zu diesem Konzept hier). So fordert beispielsweise die SPD in ihrem Wahlprogramm eine deutliche Anhebung des Kindergelds für Geringverdiener - sie sollen dank einem Kinderzuschlag bis zu 324 Euro erhalten. Und auch die Linken wollen das Kindergeld auf 200 Euro erhöhen.

Dabei scheint sich das Kindergeld in rein finanzieller Hinsicht nicht zu rechnen - und zwar weder für Familien noch für den Staat. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die das Münchner Ifo-Institut im Auftrag des Familienministeriums erstellt hat. Sie basiert vor allem auf Daten der letzten grundlegenden Reform in diesem Bereich im Jahr 1996, bei der Kindergeld und -freibeträge deutlich angehoben wurden.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Ein höheres Kindergeld erweitert demnach den Entscheidungsspielraum von Familien - der oft in eindeutiger Weise genutzt wird: Mütter mit Partnern reduzierten bei einer Erhöhung des Kindergeldes häufig ihren Arbeitsumfang und arbeiteten Teilzeit statt Vollzeit, vor allem in Haushalten mit niedrigem Einkommen.
  • Im Gegensatz zu dem, was man erwarten würde, verbessere sich daher die wirtschaftliche Situation von Familien durch eine Kindergelderhöhung nicht: Das durchschnittliche Haushaltseinkommen scheine sogar zu sinken, formuliert das Ifo-Institut etwas unbestimmt. "Dies deutet darauf hin, dass das Erwerbseinkommen stärker reduziert wurde, als das Haushaltseinkommen durch die erhöhten Kindergeldleistungen gesteigert wurde", heißt es weiter.
  • Die Reduktion der Arbeitszeit von Müttern bei einer Erhöhung des Kindergeldes führt dem Bericht zufolge zudem dazu, dass dem Staat Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge entgingen. Dies habe zur Folge, dass "die Gesamtkosten einer Erhöhung des Kindergelds durchschnittlich doppelt so hoch wie die direkten Kosten" seien. In Kontrast dazu hatte das Institut in einer kürzlich veröffentlichten Studie dargelegt, dass sich die Förderung öffentlicher Kinderbetreuung weitgehend selbst finanziere, da die damit verbundene höhere Erwerbstätigkeit von Müttern zu höheren Steuereinnahmen führe.

Rein wirtschaftlich betrachtet sind die Effekte vor allem des Kindergelds auf Familien also nicht positiv. Und auch "eindeutige Effekte auf die Geburtenrate" konnten in der Studie nicht festgestellt werden, ebenso wenig wie "robuste und signifikante" Wirkungen auf den Bereich der sozialen Teilhabe, also positive Auswirkungen auf verschiedene Freizeitbeschäftigungen oder das damit zusammenhängende subjektive Wohlbefinden.

Das Ifo-Institut weist allerdings darauf hin, wo seine Untersuchung an ihre Grenzen kommt: So müsse eine Gesamtbeurteilung familienpolitischer Leistungen unbedingt auch Aspekte wie das Wohlergehen von Kindern mit einbeziehen, schreiben die Forscher. Was konkret heißt: Mütter, die weniger arbeiten, verbringen wahrscheinlich mehr Zeit mit ihren Kindern - und die werden davon im Allgemeinen profitieren. Geld ist eben nicht alles, was zählt.

Ohnedies kommt eine weitere Studie, die vom Familienministerium in Auftrag gegebene und gerade veröffentlichte Studie der Ruhr-Universität Bochum, zu dem Schluss, dass verschiedene Leistungen "bei den betroffenen Familien in der Regel gebündelt ankommen" und es kaum möglich ist, die Wirkung einzelner Maßnahmen auf einen wesentlichen Punkt genau zu bestimmen: nämlich auf das Wohlergehen von Kindern.

Insgesamt 156 verschiedene ehe- und familienpolitische Leistungen gibt es im deutschen Sozialsystem. Wohl deshalb ist die Gesamtevalution aller dieser Leistungen so kompliziert. Das Familienministerium arbeitet bereits seit 2009 daran.

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