Studentenbericht:Scharfe Kalkulation

Lesezeit: 2 min

Der finanzielle Druck auf Hochschüler ist gewachsen - vor allem wegen gestiegener Zimmer- und Wohnungsmieten. Zwei von drei Studenten jobben während des Semesters.

Von Markus Mayr, Berlin

SZ-Grafik; Quelle: DSW/DZHW 21. Sozialerhebung (Foto: SZ-Grafik; Quelle: DSW/DZHW 21. Sozialerhebung)

Eine Grafik fehlt im 21. Bericht des Deutschen Studentenwerks (DSW) zur Lage der Studierenden, der am Dienstag erschienen ist: der sogenannte Bildungstrichter. In der vorigen Ausgabe zeigte er, wie ungleich Bildungschancen verteilt sind. Demnach studierten 2012 drei Viertel aller Kinder aus Akademikerfamilien - aber nur ein Viertel der Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien. Dass die Grafik aus dem Bericht "rausgekegelt" wurde, hat der hochschulpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag schon vor Wochen angeprangert. Kai Gehring verdächtigt das Bildungsministerium, das den Report finanziert, die Verbindung zwischen Herkunft und Bildungschancen "unter den Tisch zu kehren".

Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) beteuerte dagegen bei der Vorstellung, der neue Bericht, der auf Zahlen aus dem Sommersemester 2016 beruht, sei "ohne politischen Einfluss" verschlankt worden. Der aktuelle Bildungstrichter werde noch veröffentlicht. Ob vor oder nach der Bundestagswahl könne man nicht genau sagen. Und so konnte Wanka, ohne auf die vermutlich noch immer bestehende soziale Schieflage einzugehen, von der positiven Entwicklung berichten, dass "die Studierenden als Gruppe insgesamt diverser und heterogener werden". Der Anteil der Studierenden mit Kind sei gestiegen (von fünf auf sechs Prozent), der Anteil der gesundheitlich Beeinträchtigten auch (von sieben auf elf Prozent).

Seit 1951 veröffentlicht das DSW regelmäßig Daten zur Situation der Studierenden. Diesmal konnten dank der Online-Befragung, die Angaben von 55 000 Hochschulbesuchern ausgewertet werden, so vielen wie nie zuvor (2012 waren 16 000 dabei, die Fragebögen kamen mit der Post). Die Stichprobe soll die Lage von 2,2 Millionen Studierenden widerspiegeln, die - mit deutschem Pass oder nicht - ihre Hochschulreife in Deutschland erworben haben. Im Schnitt sind sie fast 25 Jahre alt, unverheiratet und studieren in Vollzeit. Wie schon Johanna Wanka betonte auch DSW-Präsident Dieter Timmermann, "den einen Studenten oder die eine Studentin" gebe es nicht. Das zeigt sich auch daran, wie sie sich finanzieren.

Während Studierende im Schnitt 918 Euro monatlich ausgeben können, verfügen mehr als ein Viertel von ihnen über weniger als 700 Euro. Die Zahl der Hochschüler, die nebenher jobben, ist seit 2012 um sechs Prozentpunkte auf 68 Prozent gestiegen. 86 Prozent werden von ihren Eltern unterstützt, und zwar stärker (541 Euro) als noch 2012 (481 Euro). "Der finanzielle Druck auf die Studierenden wächst", erklärte Timmermann, "vor allem wegen steigender Mieten." Seit Längerem fordert er bereits einen "Hochschulsozialpakt", um Plätze in Wohnheimen zu schaffen. Dort könnten Studierende anders als auf dem freien Mietmarkt relativ günstig wohnen. Timmermann schlägt vor, den Pakt analog zum Hochschulpakt einzurichten, auf dessen Basis der Bund den Ländern Geld zum Ausbau ihrer Universitäten zuschießt.

Auch beim Bafög wünscht sich Timmermann Korrekturen, weil es "der Vielfalt der Lebenswirklichkeiten nicht gerecht" werde. Nur 18 Prozent der Studierenden beziehen das studentische Darlehen des Bundes. Entweder stellten sie keinen Antrag, weil sie sich vor den Schulden fürchten, so der DSW-Präsident. Oder ihre Eltern verdienen zu viel. Die Elternfreibeträge hat der Bund zuletzt zum Wintersemester 2016/17 erhöht, der Effekt der Erleichterung ist in der jetzigen Erhebung noch nicht spürbar. Dennoch plädiert Timmermann für eine automatische Anpassung der Bafög-Sätze an die steigenden Lebenskosten, ohne dass wie zuletzt fast fünf Jahre vergehen.

© SZ vom 28.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: