Brennelementesteuer:Widerstand der Atomindustrie zeigt Wirkung

Die Regierung wollte die Atomkonzerne als Gegenleistung für längere Laufzeiten zur Kasse bitten, doch sie findet keinen Weg. Gespräche kommen nach SZ-Informationen nicht voran.

M. Bauchmüller u. C. Hulverscheidt

Die Bundesregierung findet trotz aller Bemühungen offenbar keinen Weg, wie sie die Atomindustrie als Gegenleistung für längere Kraftwerkslaufzeiten zur Kasse bitten kann. Die zunächst geplante Einführung einer Brennelementesteuer ist rechtlich umstritten, die Gespräche mit der Branche über eine vertragliche Lösung kommen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung kaum voran. Um Zeit zu gewinnen, wird daher jetzt erwogen, den Kabinettsbeschluss über eine neue Abgabe um vier Wochen auf Ende September zu verschieben.

Bayerns Kabinett pocht auf laengere Laufzeit von Kernkraftwerken

Bis Ende September will die Regierung entscheiden, um wie viele Jahre die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert werden.

(Foto: ddp)

Damit erhielte allerdings auch die Atomwirtschaft zusätzliche Zeit, um eine aus ihrer Sicht zu hohe Belastung zu verhindern. Die Konzerne verlangen zudem, dass der Bund als Gegenleistung für die neue Abgabe unwiderruflich konkrete Restlaufzeiten für die Atommeiler zusagt. Formal gibt es zwischen beiden Punkten gar keinen Zusammenhang. Die Regierung hatte zunächst sogar betont, dass die Steuer unabhängig von der Laufzeitfrage eingeführt wird. Parallel dazu wollte sie die Gewinne aus der Laufzeitverlängerung teilweise abschöpfen und in einen Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien stecken. Mittlerweile ist jedoch nur noch von einer Abgabe die Rede, die entweder als Steuer oder aber auf Grundlage eines Vertrags zwischen der Regierung und den Konzernen erhoben werden soll. Die Unternehmen hatten vergangene Woche damit gedroht, bei einem Scheitern der Konsensgespräche ihre Kernkraftwerke abzuschalten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Mittwoch, wichtig sei nicht die Frage, ob am Ende eine Steuer oder ein Vertrag stehe. Entscheidend sei, dass die Firmen jene 2,3 Milliarden Euro pro Jahr zur Sanierung des Bundeshaushalts beisteuerten, die das Kabinett bei seiner Sparklausur im Juni festgesetzt habe. Andere Regierungsvertreter sorgten zugleich mit unterschiedlichen Aussagen zur Zukunft der Brennelementesteuer für Verwirrung. So verwies das Finanzministerium darauf, dass es am Dienstagabend einen Gesetzentwurf an die Fachressorts versandt habe, der die Einführung der Steuer vorsehe und am 1. September vom Kabinett verabschiedet werden solle. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) erklärte dagegen, er sei sich mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) darüber einig, dass es sinnvoller sei, den Beschluss über die Steuer auf Ende September zu verschieben.

Hintergrund sind die vielen ungelösten Problemen. Dazu zählt zählt die Sorge des Finanzministeriums, der Bund könne mit einem Vertrag unkalkulierbare Risiken eingehen: So wollen die Unternehmen für den Fonds Geld vorstrecken, das sie selbst erst später einnehmen - dann nämlich, wenn sie tatsächlich von längeren Laufzeiten profitieren. Sollte eine künftige Regierung die Regeln für die Kernkraft wieder verschärfen wollen, müsste sie den Konzernen auch die vorgestreckten Milliarden zurückzahlen.

Kommt es nicht zu einem Vertrag, sondern doch zur Einführung der Brennelementesteuer, müssten Eon, RWE, EnBW und Vattenfall nach SZ-Informationen pro Jahr insgesamt 3,1 Milliarden Euro an den Fiskus überweisen. Da sie den Betrag steuerlich absetzen können, verblieben am Ende 2,3 Milliarden in der Staatskasse - exakt jene Summe, die Merkel am Mittwoch als Sparbeitrag der Atomwirtschaft genannt hatte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: