Strenge Bankenregulierung:Radikalenerlass für Banken

Weg von wahnsinnigen Banker-Spekulationen - zurück zur Verantwortung: Zum Schutz des Eigentums braucht es durchgreifende Überprüfungen von Bankern und Großbanken.

Peter Gauweiler

Wir brauchen einen Erlass gegen Extremisten und Radikale im Bankgewerbe. Zum Schutz des Eigentums, das die ökonomische Grundlage unserer Freiheit ist. Das Grundgesetz garantiert diesen Schutz als "Verantwortungseigentum" (Paul Kirchhof).

Strenge Bankenregulierung: Kein Schongang mehr durch die deutsche Bankenaufsicht: Auch Großbanken wie in Frankfurt sollen in Zukunft stärker unter die Lupe genommen werden.

Kein Schongang mehr durch die deutsche Bankenaufsicht: Auch Großbanken wie in Frankfurt sollen in Zukunft stärker unter die Lupe genommen werden.

(Foto: Foto: AP)

Schon seit Jahren entschwindet dieses Verantwortungseigentum durch Investmentbanking, Hedgefonds und die Blickverengung auf Shareholder Value. Es wird entfremdet, gedreht und anonymisiert. Jetzt wurde durch wahnsinnige Spekulationen von Bankern so viel anvertrautes Eigentum in Deutschland zerstört wie noch nie zuvor.

Bereits im Jahre 2004 warnte der Bundesgerichtshof bestimmte Banker, "Gutsverwalter" und "Gutsherrn" nicht zu verwechseln. Other-people-money-Leute, die Schicksal spielen und fehlenden Durchblick bei ihren Investments durch "Ratings" ersetzen und durch Zweckgesellschaften verschleiern. Und heiße Luft bilanzieren - mit Bilanzwerten ohne marktmäßige Belege. Und nach solchen "Bilanzen" ihre extremen Boni berechnen. Und als es schiefging, dem Staat und seinen Repräsentanten zurufen: "Wir sind systemrelevant - rettet uns!"

Klub der nackten, dummen Kaiser

Kernanliegen unseres Verfassungs- und Wertesystems sind durch dieses unerhörte Verhalten in Gefahr geraten. Dies hat US-Präsident Barack Obama mit seiner sensationellen Rede vom 21. Januar in Washington deutlich gemacht, als er sagte: "Wir waren mit der Krisenbewältigung so beschäftigt, dass wir es versäumt haben, direkt mit den Bürgern über ihre Werte zu sprechen - und zu erklären, warum wir sicherstellen müssen, dass diese Institutionen (Anmerkung des Autors: die Banken) mit diesen Werten übereinstimmen."

Obama hat dem Geschwätz von "Finanzdienstleistern außerhalb der Realwirtschaft" ein Ende gemacht. Es gibt ja keine Wirtschaft außerhalb des Realen. So wenig, wie es des Kaisers neue Kleider je gegeben hat. Obama hat seinen europäischen Kollegen jetzt klargemacht, dass er im Klub der nackten dummen Kaiser nicht mehr mitspielen will. Danach fielen die Aktien von UBS, Goldman Sachs und Deutscher Bank.

Obama sagt: "Limit the Scope!" Auf Deutsch: Begrenzt das Betätigungsfeld! Das heißt, dass den Kreditinstituten der nicht kundenbezogene, eigennützige Eigenhandel und Geschäfte dazu mit Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften untersagt werden sollen. Das ist völlig richtig. Ein "Investmentbanking", welches das Eigentum seiner Kunden zerstückelt, verbrieft, verwettet und verspielt, ist organisierter Kundenverrat.

"Too big to fail"

Seit der staatlichen Rettung der HRE mit allein 87 Milliarden Euro direkt vom Staat reden wir über die "Systemrelevanz" der Banken. Systemrelevant heißt: erheblich für das geordnete Ganze sein. Das vom Bundestag zähneknirschend dafür bereitgestellte Sondervermögen des Bundes, der sogenannte Finanzmarktstabilisierungsfonds (Soffin), war durch diese Systemrelevanz gerechtfertigt.

Ebenso die von Deutschland mit Nachdruck angestoßene Reform der EU-Finanzmarktaufsicht, die allerdings noch lange nicht verwirklicht ist. Diese Systemrelevanz - Obama: "Too big to fail", zu groß, um scheitern zu dürfen - wird pervertiert, wenn sie in einen Freibrief für Verantwortungslosigkeit mündet.

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"Wertpapiere" für Pferdeäpfel

Was können wir national tun? Deutschland, dessen Banken den Amerikanern ihre extrem risikobehafteten Geschäfte fieberhaft nachgemacht haben, in einer Art imitatorischer Jüngerschaft, muss dazu einen aktiven Beitrag leisten: Nach dem christlich-liberalen Koalitionsvertrag will sich die neue Regierung dafür einsetzen, dass auch auf nationaler Ebene bei der Intensität der Finanzaufsicht stärker nach "der Systemrelevanz des einzelnen Instituts differenziert wird". Das hieße im Ernst: dass die Bankaufsicht bei den Großbanken nicht mehr wie bisher den Schongang einlegen darf.

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Untergang

"Wertpapiere" für Pferdeäpfel

Als Erstes sollten Großbanken nicht mehr einzelne Experten der Bankaufsicht abwerben und für eigene Zwecke umdrehen dürfen. Zur Wiederherstellung der Transparenz des Jahresabschlusses sollten keine virtuellen Bewertungen für die Bilanz mehr zugelassen werden. Deutsche Großbanken haben in ihren Bilanzen bis zu 300 Prozent (!) ihres Eigenkapitals ausschließlich auf subjektive, bankeigene Berechnungsmodelle gestützt, ohne den Bilanzwerten reale Marktpreise für gleiche oder vergleichbare Finanzprodukte zugrundelegen zu können.

Das war angeblich legal, weil die Banken im Vollzug einer EU-Verordnung seit 2005 nach den butterweichen "Internationalen Rechnungslegungsstandards" (IFRS) bilanzieren müssen, beziehungsweise dürfen. Es könnte aber gesetzlich - durch eine Novelle des deutschen Handelsgesetzbuches - sofort zumindest untersagt werden, dass Gewinne, die auf diese Weise ermittelt wurden, also eigentlich irreal sind, als Dividenden oder Boni ausgeschüttet werden.

Dies hatte die Bundesbank ausdrücklich gefordert, als die große Koalition im vergangenen Jahr das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts schuf. Eigentlich wäre doch alles klar: Wer "Wertpapiere" für Pferdeäpfel erstellt und diese wie eine Schokoladenfabrik bilanziert und sich aus diesem Mehrwert Boni berechnet, handelt nicht fair.

Alles Leben ist Problemlösen

Wer die Banken für systemrelevant hält, sollte einen Radikalenerlass für Banken befürworten. Auch für die Investmentbanken würde ein solcher Radikalenerlass bedeuten, dass sie bei Ausführung hochriskanter Geschäfte, insbesondere von Wetten, die Banklizenz verlieren müssten, da sie die Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ins Wanken bringen können.

Das Berufsgesetz für Banker ist das Kreditwesengesetz (KWG). Dieses Gesetz verlangt, dass, wer im Inland Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will, zuverlässig sein muss. Persönliche Schwächen können Zweifel an der Zuverlässigkeit begründen. Hierzu gehört nach dem führenden Kommentar zum KWG, Boos/Fischer/Schulte-Mattler, "die Neigung zu unangemessen riskanten Geschäften - insbesondere Spekulationsgeschäften".

Nichts zeigt den Zustand unserer Bankaufsicht in Deutschland qualvoller als ein Vergleich dieser Rechtslage mit der Realität. Trotzdem oder deswegen: In den nächsten Wochen und Monaten sollte jeder Inhaber einer Bankerlaubnis in Deutschland - in einer Art Regelanfrage - auf sein einschlägiges Verhalten in der Vergangenheit durch die Aufsichtsbehörden abgeklopft werden. Wir müssen etwas tun. Alles Leben ist Problemlösen, hatte Karl Popper gesagt: "Die Fehlerkorrektur ist die wichtigste Methode des Lernens überhaupt."

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler, 60, vertritt den Wahlkreis München-Süd im Deutschen Bundestag. Zu seinen Spezialgebieten als Anwalt gehört das Wirtschaftsrecht.

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