Streitfall Vaterschaftstest:In dubio pro papa

Ein Mann, der bezweifelt, dass die Kinder seiner Frau auch seine Kinder sind, kann dies mit Hilfe eines heimlichen DNA-Tests überprüfen. Das Bundesverfassungsgericht muss nun entscheiden, welche rechtliche Bedeutung diese Tests haben.

Heribert Prantl

Hätte es den Vaterschaftstest schon in jenen alten Zeiten gegeben, in denen die Erbfolge über das Schicksal ganzer Völker entschieden hat - die Weltgeschichte wäre anders verlaufen.

Vater und Sohn

Vater und Sohn. Oder nicht?

(Foto: Foto: dpa)

Heute verändert der Vaterschaftstest Familiengeschichte und Familiengeschichten. Und die Gewissheit wird immer billiger: Im Internet bieten private Labors den Vaterschaftstest schon für 136 Euro an.

Der zweifelnde Vater, der wissen will, ob er ein echter oder nur ein Scheinvater ist, grapscht verstohlen den Schnuller oder den Kaugummi des Kindes und gibt ihn zusammen mit ein paar eigenen Haaren zur molekulargenetischen Untersuchung ab.

Dann hat der Mann Gewissheit. Ihr folgt dann der schwierige Umgang mit dieser Gewissheit.

Ein Richter darf einem heimlichen Test keine Beachtung schenken

Mit einer dieser Schwierigkeiten befasst sich am Dienstag das Bundesverfassungsgericht.

Bei der mündlichen Verhandlung geht es darum, ob und welche Bedeutung heimliche Vaterschaftstests haben.

Kann der zweifelnde Vater mit dem Ergebnis des heimlichen Tests zum Gericht marschieren, und damit offiziell die Vaterschaft anfechten?

Derzeit reicht die schlichte Behauptung, man sei nicht Vater, keinesfalls aus, um amtliche Ermittlungen über die Vaterschaft einzuleiten; es müssen Umstände vorgetragen und belegt werden, die "objektiv" geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes zu wecken.

Ist das heimlich eingeholte Gutachten ein solcher Umstand? Wenn ja, dann würde dieses Gutachten auf diese Weise zwar nicht offiziell, aber doch offiziös. Der Bundesgerichtshof hat das am 12. Januar 2005 abgelehnt. Das bedeutet: Der Richter darf derzeit einem heimlichen Test keinerlei Beachtung schenken.

Streit unter Familienrechtlern

Unter Familienrechtlern wird hierüber heftig gestritten. Die einen plädieren dafür, heimliche Tests zuzulassen, weil es ansonsten schwierig sei, Zweifel schlüssig darzulegen.

Außerdem könne das Recht des Vaters, sich Klarheit zu verschaffen, nicht vom Willen der Mutter abhängig gemacht werden, da diese ein eigenes Interesse daran habe, ihr Geschlechtsleben geheim zu halten.

Die Gegner von heimlichen Tests hingegen argumentieren: Das Recht des Mannes, seine Vater- oder Nicht-Vaterschaft zu klären, verleihe ihm alleine noch kein Recht, sich diese Kenntnis auch zu verschaffen.

Ohne Wissen des Kindes (beziehungsweise der Mutter) dürfe also kein Gen-Material des Kindes verwendet werden; dies verletze das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, in das nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden dürfe.

Und dieses Gesetz müsse das Verfahren und die Beweisaufnahme genau regeln.

Der heimlichen Verwendung von Gen-Material sei ein verfassungsrechtlicher Riegel vorzuschieben, der Gesetzgeber müsse heimliche Tests ausdrücklich verbieten (wie dies in einigen europäischen Ländern schon der Fall ist).

Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet an einem Gesetz, das ein solches Verbot vorsieht.

Eine dritte Meinung hält die Anforderungen, die derzeit an eine Vaterschaftsanfechtung gestellt werden, für zu hoch: Es müsse künftig für die Einleitung eines Anfechtungsprozesses die Behauptung ausreichen, man sei nicht Vater des Kindes; dann bedürfte es auch keiner heimlichen Vaterschaftstests mehr.

Wer die Vaterschaftsanfechtung so leicht macht, muss sich allerdings über die Folgen im Klaren sein. Der erfolgreiche Anfechtungsprozess führt nicht einfach nur zur Kenntnis der Wahrheit; er schneidet zugleich sämtliche rechtlichen Bande des Scheinvaters zu seinem Kinde ab, mit dem er womöglich viele Jahre lang zusammengelebt hat; er beendet die Verwandtschaft, er kappt jegliche Rechtsbeziehung.

Das geltende Recht versucht, zwei Interessen auszubalancieren. Zum einen das Interesse des (Schein-)Vaters auf Kenntnis und Beendigung der Vaterschaft, zum anderen das Interesse des Kindes an einer stabilen rechtlichen Beziehung.

Gemäß Paragraph 1592 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist; oder derjenige, der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkannt hat.

Diesem rechtlichen Vater wird das Recht eingeräumt, die Vaterschaft anzufechten. Das Gesetz sieht aber, um die Kindesinteressen zu berücksichtigen, Befristungen dafür vor: Wenn der Mann von "Umständen" erfährt, die gegen seine Vaterschaft sprechen, muss er diese binnen von zwei Jahren geltend machen.

Rechtslage bleibt für viele zweifelnde Väter unbefriedigend

Es liegen mehrere Gesetzentwürfe vor, die diese Rechtslage verändern wollen. Ein Vorschlag aus Baden-Württemberg will heimliche Vaterschaftstests ermöglichen. Ein Entwurf aus Bayern will das nicht, aber dafür dem Vater den Anspruch geben, das Kind zur Einwilligung in eine genetische Untersuchung zu zwingen.

Ein Referentenentwurf der Bundesjustizministerin möchte die Voraussetzungen für das klassische amtliche Anfechtungsverfahren stark senken.

Der Antragsteller bräuchte nur noch zu behaupten, dass er nicht Vater ist. Sodann würde amtlich untersucht, heimliche Gutachten (die denn auch verboten werden sollen) wären nicht mehr notwendig.

Wie auch immer: Die Rechtslage ist und bleibt für viele zweifelnde Väter unbefriedigend. Entweder lässt der Mann heimlich ein Gutachten erstellen, womit er den Rechten des Kindes zuwiderhandelt.

Oder er schüttet das Kind mit dem Bade aus, indem er die Vaterschaft anficht und damit gegebenenfalls jegliche Rechtsbeziehung zu ihm beendet. Das höchste Gericht wird für das "Kenntnisinteresse" des Vaters einen dritten Weg finden müssen.

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