Streit zwischen Japan und China:USA in heikler Doppelrolle

Vermittler und Provokateur: Die USA warnen im Inselstreit zwischen China und Japan vor einer Eskalation. Zugleich planen sie mit Tokio eine Radarstation zur Raketenabwehr. Verteidigungsminister Panetta hat in China einiges zu erklären.

Christoph Neidhart, Tokio

US-Verteidigungsminister Leon Panetta hat am Montag in Tokio China und Japan zu "Ruhe und Zurückhaltung" in ihrem eskalierenden Streit um die Senkaku-Inseln aufgerufen. Es sei "im Interesse aller - wirklich aller", dass Japan und China gute Beziehungen hätten, ermahnte Panetta die Großmächte Ostasiens, die bisher freilich keine Versuche machen, ihren Streit um die fünf unbewohnten Inseln im Ostchinesischen Meer beizulegen.

Leon Panetta

US-Verteidigungsminister Leon Panetta trifft in China ein. Er wird dort die Doppelrolle der USA erklären müssen.

(Foto: AP)

In China kam es in den vergangenen Tagen in 85 Städten zu Demonstrationen gegen Japan. Panasonic und Canon mussten vorübergehend Werke in China schließen. Japanische Medien meldeten am Montagabend, tausend chinesische Fischerboote hätten Kurs auf die umstrittenen Inseln genommen. Panetta warnte, wenn die Provokationen nicht aufhörten, könnten sie zu einem bewaffneten Konflikt führen. Kazuhiko Togo, ein pensionierter japanischer Botschafter, prophezeit, wenn Tokio Peking das Gespräch über die Inseln weiter verweigere, "könnte es zum Blutvergießen kommen".

Die Senkaku-Inseln, chinesisch Diaoyu, werden von Tokio kontrolliert, aber auch von Peking und Taipeh beansprucht. Japan hat sie sich 1895 einverleibt, wenige Wochen bevor es Taiwan kolonisierte. Nach der japanischen Kapitulation 1945 wurden sie von den USA kontrolliert, die sie, ohne die Souveränitätsfrage zu klären, 1972 den Japanern überließen, als sie Okinawa an Tokio zurückgaben. Dennoch betonte Panetta, die USA bezögen in diesem Konflikt keine Stellung.

Tokio und Peking hatten sich Ende der Siebzigerjahre darauf verständigt, der ungelöste Konflikt dürfe ihre Beziehungen nicht belasten. Bis 2010 haben sich beide Seiten einigermaßen daran gehalten, wie der pensionierte Botschafter Togo jüngst vor der Auslandspresse erklärte. Sie haben auch vereinbart, die Gas-Vorkommen in der Nähe der Inseln gemeinsam auszubeuten.

Geplante Raketenabwehr provoziert Peking

Dieses ungeschriebene Stillhalte-Abkommen wurde im September gebrochen; ein betrunkener chinesischer Fischer rammte mit seinem Kutter zwei Patrouillenboote der Küstenwache Japans. In der Folge versteifte sich Seiji Maehara, damals als Japans Außenminister erst einige Tage im Amt, auf die Formulierung, es gebe keinen Territorialkonflikt zwischen Japan und China. Damit provozierte er Peking, Tokio hatte die Existenz dieses Konflikts zuvor stets implizit anerkannt.

Panetta kündigte in Tokio gemeinsam mit dem japanischen Verteidigungsminister Satoshi Morimoto, der seit drei Monaten im Amt ist, zudem an, in Japan würde eine zweite Radaranlage für ein Raketenabwehrsystem gebaut. Den genauen Standort im Süden Japans gaben die beiden indes nicht bekannt. Panetta betonte, die Anlage solle Japan und die USA gegen mögliche Raketen aus Nordkorea schützen, sie richte sich nicht gegen China.

Das sieht man in Peking anders, zumal US-Außenministerin Hillary Clinton, im Widerspruch zum Pentagon und zu ihren Vorgängern, im Senkaku-Streit klar Partei für Tokio bezogen hat. Panetta hatte zudem vor einigen Wochen bereits gesagt, sollte sich der Konflikt zuspitzen, dann würden die USA Drohnen zur Überwachung der Senkaku-Inseln einsetzen. In China deutet man dies als Versuch Washingtons, den Streit wie auch die Bedrohung durch Nordkorea zu nutzen, um die US-Positionen im Ostchinesischen Meer zu festigen.

Panetta flog am Montagabend zu Gesprächen nach Peking weiter. Er wird drei Tage in China bleiben und auch Vizepräsident Xi Jinping treffen, der im kommenden Herbst Präsident Hu Jintao ablösen soll, aber zuletzt zwei Wochen lang ohne Erklärung von der Bildfläche verschwunden war.

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