Streit vor Bundestagsdebatte über Betreuungsgeld:"Groteske Geldverschwendung mitten in der Krise"

Vor der ersten Lesung im Bundestag wächst die Kritik an der CSU und am Betreuungsgeld - auch innerhalb der Koalition. Während die Opposition weiter gegen das Gesetz wettert, haben zumindest die Unionsfrauen inzwischen ihre Zustimmung signalisiert. Sie rechnen nach dem Treffen mit der Kanzlerin mit Änderungen.

Unmittelbar vor der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag heute Mittag geht der Schlagabtausch über das Betreuungsgeld weiter - auch innerhalb der schwarz-gelben Koalition. Während die CSU auf eine schnelle Verabscheidung des Gesetzes drängt, mahnt die FDP erneut Kompromisse an.

Bundestag debattiert Betreuungsgeld

Allein auf weiter Flur? Kurz vor der ersten Lesung im Bundestag wächst die Kritik am Gesetzentwurf von Familienministerin Schröder.

(Foto: dapd)

Da es auch in den eigenen Reihen kritische Stimmen gibt, hatte die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, gestern noch versucht, Bedenken der CDU-Frauen auszuräumen. Dies ist offenbar gelungen: Die Frauen in der Unionsfraktion haben nach einem Gespräch mit Merkel Zustimmung zum umstrittenen Betreuungsgeld signalisiert. Es habe sich ein Kompromiss herauskristallisiert, dieser sei aber noch fragil, sagte die Vorsitzende der Frauengruppe, Rita Pawelski, im Bayerischen Rundfunk.

Sie hoffe, dass der Gesetzentwurf noch verändert werde. Pawelski kündigte an, dass es auch zum Thema Vorsorgeuntersuchung für Kinder ein Gesetz geben werde. Dies habe aber nichts direkt mit dem Betreuungsgesetz zu tun und werde auch nicht vermischt, sagte sie.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), geht von Korrekturen aus. Im Südwestrundfunk sagte er, er erwarte Änderungen am Gesetzentwurf. Es sei aber noch nicht absehbar, welche Änderungen das sein werden

"Gerecht und fair"

Die CSU dringt vor der Bundestagsdebatte auf eine zügige Verabschiedung des Entwurfs: "Unsere Geduld ist am Ende: Wir wollen pünktlich zum 1. Januar 2013 die Wahlfreiheit der Eltern erweitern", sagte die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Dorothee Bär (CSU), der Neuen Osnabrücker Zeitung. Nur allein mit dem Ausbau von Krippenplätzen werde nicht allen Wünschen der Eltern Rechnung getragen. Die CSU-Politikerin bekräftigte, dass die Leistung in bar ausgezahlt werden solle. "Es ist gerecht und fair, wenn der Staat die Eltern, die eine Alternative zur Krippe suchen, finanziell unterstützt."

Dagegen forderte die FDP-Familienpolitikerin Sibylle Laurischk Kompromissbereitschaft vom Koalitionspartner CSU - ohne sich jedoch allzu große Hoffnungen zu machen: "Zurzeit vermittelt die CSU den Eindruck trotziger Kleinkinder, die immer nur nein sagen", sagte Laurischk der Berliner Zeitung. Sie verwies auf den Vorschlag von FDP-Generalsekretär Patrick Döring, wonach den Ländern Einfluss auf die Verwendung des Betreuungsgeldes gewährt werden solle. "Die Länder wären so in der Lage, je nach Dringlichkeit mehr Geld in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren", sagte die FDP-Politikerin.

Betreuungsgeld ist "politischer Irrsinn"

Die Opposition lehnt das Vorhaben geschlossen ab, dessen Umsetzung in der Koalition vor allem die CSU forciert. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, ihre Partei prüfe derzeit alle rechtlichen Möglichkeiten, den "politischen Irrsinn" Betreuungsgeld doch noch zu stoppen. Aus ideologischen Gründen verpulvere die Bundesregierung jährlich 1,2 Milliarden Euro, statt dieses Geld in den Kita-Ausbau zu investieren. "Das ist ein zu hoher Preis, um die konservative Wählerklientel der CSU in Bayern zu befrieden", sagte Nahles.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sprach von einer "grotesken Geldverschwendung mitten in der Krise". Der Braunschweiger Zeitung sagte er: "Die Koalition verabreicht mit dem Betreuungsgeld eine teure Beruhigungspille für die CSU, während für den Kita-Ausbau an allen Ecken Geld fehlt." Zudem mindere die "Herdprämie" die beruflichen Chancen von Frauen, die durch lange Erziehungszeiten den Anschluss verpassten, und sei ungerecht für Kinder, denen so eine qualifizierte Frühförderung entgehe.

Frauenverbände: Betreuungsgeld setzt nur Fehlanreize

Zwölf Frauenverbände appellierten in einer gemeinsamen Erklärung an die schwarz-gelbe Koalition, auf das umstrittene Vorhaben zu verzichten. Internationale Erfahrungen hätten gezeigt, dass damit nur Fehlanreize gesetzt würden. Andere Länder seien dabei, die Leistung wieder abzuschaffen. Mit breiten Aktionen wollen die Verbände ihren Forderungen Nachdruck verleihen. Ablehnung kommt auch von den Gewerkschaften: Nach Ansicht der IG Metall wird sich mit dem Betreuungsgeld der Fachkräftemangel in Deutschland weiter verschärfen.

Auch eine wachsende Mehrheit der Bundesbürger ist gegen das Betreuungsgeld. Dem ZDF-Politbarometer zufolge stieg der Anteil der Kritiker zwischen April und Juni von 61 Prozent auf nunmehr 71 Prozent. Im November hatten noch 53 Prozent das Betreuungsgeld abgelehnt. Laut der aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen findet nur ein Viertel der Befragten die Zahlung richtig. Vier Prozent äußerten sich unentschlossen. Die Ablehnung wird laut Umfrage von den Anhängern aller Parteien mehrheitlich geteilt. Unter den Anhängern der CDU/CSU sind demnach 64 Prozent gegen das Betreuungsgeld und nur 32 Prozent dafür. Vier Prozent sind unentschlossen.

Nach dem Gesetzentwurf von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) sollen Eltern künftig ein Betreuungsgeld erhalten, wenn sie für ihre Kleinkinder kein staatlich gefördertes Angebot in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter in Anspruch nehmen. Die Leistung soll am 1. Januar 2013 zunächst für Kinder im zweiten Lebensjahr mit 100 Euro monatlich starten. Ab 2014 soll das Geld auch für Kinder im dritten Lebensjahr gezahlt und für alle auf 150 Euro monatlich erhöht werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: