Streit um Wahlkampf-Auftritte:Çavuşoğlu: "Systematische Gegnerschaft zur Türkei"

  • Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu spricht in der Hamburger Residenz des türkischen Generalkonsuls.
  • Um das Verfassungsreferendum geht es bei der Veranstaltung, zu der mehr Demonstranten als Unterstützer gekommen sind, nur am Rande.
  • Çavuşoğlu spricht über Erfolge und Pläne der Regierung Erdoğan - und wettert gegen die Bundesrepublik.

Von Thomas Hahn und Mike Szymanski, Hamburg/Istanbul

Die kleine Odyssee des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu endet dort, wo Hamburg besonders schön ist: am Uhlenhorster Alsterufer. Vom Balkon der Hamburger Residenz des türkischen Generalkonsuls sprach Çavuşoğlu am Dienstagabend vor rund 200 Anhängern über Erfolge und Pläne der Regierung Erdoğan - im Zusammenhang mit dem Referendum, mit dem der türkische Staatschef seine Präsidialmacht ausbauen will. Çavuşoğlu warf Deutschland "eine systematische, repressive Hinderung" vor. Er spielte damit auf die Umstände seines Auftritts an, der zuvor an einem anderen Veranstaltungsort untersagt worden war. "Bitte hört auf, uns Lektionen in Menschenrechten und Demokratie zu erteilen", sagte Çavuşoğlu.

Wer etwas über das Beharrungsvermögen der türkischen Regierung lernen wollte, der hat am Montag und Dienstag nach Hamburg blicken müssen. Ein seltsamer Wettlauf der Erdoğan-Getreuen um Redezeit in der deutschen Heimat vieler wahlberechtigter Türken war dort zu erleben. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte schien dabei zwischendurch schon das letzte Wort zu haben. Dann war plötzlich von einem neuen Veranstaltungsort in Norderstedt die Rede. Bis am Dienstagnachmittag feststand, dass der Generalkonsul dem Außenminister die Ehre erweise. Der Auftritt, der zuvor als öffentliche Veranstaltung im geschlossenen Raum angemeldet war, verwandelte sich offiziell in eine nichtöffentliche Veranstaltung mit geschlossener Gesellschaft - die im Grunde aber erst recht öffentlich war. Nicht nur weil der Hamburg-Ableger der Erdoğan-Partei AKP sie in den sozialen Medien live übertrug. Sondern weil sie trotz abendlicher Kälte komplett auf dem Residenz-Balkon stattfand und die gesamte Nachbarschaft beschallte.

Çavuşoğlu hatte ein paar Stunden zuvor in Istanbul schon klar gemacht, dass er auf jeden Fall nach Hamburg reisen werde. Er spricht vor 70 Konsuln auf der Dachterrasse eines Luxushotels mit Bosporusblick. Besondere Aufmerksamkeit schenken die Fotografen dem deutschen Generalkonsul, Georg Birgelen. Am Sonntag hatte Erdoğan Deutschland Nazi-Praktiken vorgeworfen, weil die Behörden Wahlkampfauftritte verhinderten. Er kündigte an, die Türkei werde Deutschland auf internationaler Bühne dafür vorführen.

Der deutsche Generalkonsul Birgelen ist vorbereitet

Soll dieses Treffen diese Bühne sein? Birgelen, schwer aus der Ruhe zu bringen, wirkt jedenfalls vorbereitet. In einer Mappe hat er die Reaktionen aus Berlin dabei, die Worte der Kanzlerin, ausgedruckt. Sie meint, solche Äußerungen könne man ernsthaft kaum kommentieren. Vor dem Termin mit den Konsuln hatte Çavuşoğlu in der Zeitung Hürriyet den Nazi-Vorwurf wiederholt. Beim Treffen mit den Diplomaten gibt er sich eine Spur zurückhaltender. Deutschlands Verhalten erinnere ihn an die "dunklen Tage der Vergangenheit". Er sei enttäuscht, wie sich angebliche Partner in Europa im Referendums-Wahlkampf auf eine Seite schlugen - auf die der Erdoğan-Gegner. Den Hamburgern lässt er ausrichten: "Niemand kann uns davon abhalten, mit unseren Bürgern zusammenzukommen."

Versucht haben es die Hamburger trotzdem. André Trepoll, Oppositionsführer von der CDU, hatte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, Çavuşoğlus Auftritt "mit allen möglichen Mitteln zu verhindern". Scholz selbst erklärte, die Werbung für die geplante Verfassungsreform der Türken könne "niemandem gefallen". Aber er teilte auch die Auffassung der Polizei, wonach niemand Çavuşoğlu das Wort im Plaza Event Center, einem zweckmäßigen Bau am südlichen Elbdeich, verbieten könne.

Auch die Erdoğan-Gegner wollten zeigen, dass sie beharrlich sein können

Noch am Montagnachmittag meldete die Polizei: "Verbotsgründe nach dem Versammlungsgesetz oder Untersagungsgründe nach dem Gefahrenabwehrrecht liegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor." Man habe sich ins Sicherheitskonzept eingebracht. Aber unabhängig davon hielten die Bauprüfer des Bezirksamtes eine Begehung ab. Dabei fielen Mängel beim Brandschutz auf. Prompt verlor der Betreiber seine Konzession. Nicht nur die Çavuşoğlu-Rede musste er abgeben, sondern auch die nächsten geplanten Hochzeiten.

Noch am selben Abend postete die AKP Hamburg die Meldung vom Ausweich-Quartier in Norderstedt. Die Polizei ging ihr nach und stellte fest, dass sie nicht stimmte. Ufuk Karatas, der Betreiber des Festsaales, klang am Dienstag verzweifelt. "Die ganze Nacht" habe er keine Ruhe gehabt wegen eines Ereignisses, von dem er nichts wisse. Und später kam Çavuşoğlu dann also ins gediegene Uhlenhorst. Demonstranten folgten ihm. Die Alevitische Gemeinde, die ihre Kundgebung schon abgesagt hatte, meldete eine neue an. Etwa 250 Gegner protestierten in Sicht- und Hörweite hinter Polizeiabsperrungen gegen die Politik von Präsident Erdoğan. Bis 19 Uhr. Dann redete Çavuşoğlu.

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