Streit um Steuererhöhungen:Welchen Königsweg die neue Koalition gehen muss

Lesezeit: 3 min

Schauplatz zukünftiger Politik in Deutschland: der Plenarsaal des Deutschen Bundestags in Berlin (Foto: Imago Stock&People)

SPD und Grüne wollen die Steuern erhöhen - die Union verspricht, genau dies werde nicht passieren. In einer künftigen Koalition stecken die Parteien in einem Dilemma. Wenn sie ihre Wahlversprechen nicht brechen wollen, gibt es nur einen Ausweg: eine große Steuerreform.

Ein Kommentar von Marc Beise

Hurra, die Steuerpolitik ist wieder da! Vier Jahre lang war das Thema praktisch aus der politischen Diskussion verbannt. Sich mit Steuern zu beschäftigen, galt als langweilig, spröde, etwas für grauhaarige Pullunderträger. Ein Thema so tot, dass der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin dachte, man könne Steuererhöhungen ins Wahlprogramm schreiben, ohne dass sich jemand groß aufregen würde.

Das ging nur so lange gut, bis immer mehr Mittelschichtbürger entdeckten, dass nicht nur die vermeintlich Reichen, sondern auch sie selbst von den Plänen betroffen wären. Am Ende haben die Grünen auch wegen dieses Themas die Wahlen verloren. Jetzt sind die Steuern ein Thema, an dem künftige Koalitionsverhandlungen gemessen werden.

Das kann nicht überraschen. Es dreht sich in der Gesellschaft doch eben fast alles ums Geld. Steuerpolitik betrifft den eigenen Säckel, näher dran am Bürger geht nicht. Es sind dieselben Menschen, die als Wahlbürger tagsüber gähnen, abends jedoch als Steuerbürger im Freundeskreis sich über ihre Steuerbelastung ereifern und Steuertricks zum Besten geben.

Tricks gibt es für den Kundigen genug, denn das deutsche Steuerrecht ist in einem beklagenswerten Zustand. Allein 30 Bundessteuern, 33.000 Vorschriften, unzählbar viele Gerichtsurteile - gerecht ist das alles nicht, schon gar nicht transparent. Seit Jahrzehnten wird über Reformen geredet, aber alle Versuche sind gescheitert, das Ganze wirklich neu zu regeln. Wer den großen Ansatz empfahl, wie der Professor Paul Kirchhof aus Heidelberg (vier Bundessteuern, 146 Paragrafen), der füllte zwar Säle. Von der Politik aber wurde er als Phantast verlacht.

Die betätigte sich stattdessen im Mikromanagement, drehte an diesem Tarif und an jenem, strich ein paar Vergünstigungen und schaffte anderswo noch mehr neue. Aus Sicht des Staates ist das alles sehr erfolgreich: Dank der guten Konjunktur nimmt der Fiskus derzeit mehr als 600 Milliarden Euro im Jahr ein, Tendenz steigend. Trotzdem dachten SPD und Grüne, beide nun mögliche Koalitionspartner der Union, über Steuererhöhungen nach - um künftige Ausgaben zu finanzieren, die, für sich genommen, nicht kontrovers sind. Besonders in die Verkehrsinfrastruktur und in die Bildung muss viel Geld gehen, will das Land zukunftsfähig bleiben. Die Frage ist nur: Woher soll das Geld kommen?

Der Ausweg wäre ein Königsweg

Obwohl die meisten Experten zu Recht darauf hinweisen, dass angesichts der Rekordeinnahmen und vieler Fehlsteuerungen der Staat nicht mehr Geld braucht, sondern es nur anders ausgeben muss, haben SPD und Grüne einen Gerechtigkeitswahlkampf geführt, bei dem Steuererhöhungen im Zentrum standen. Die Union setzte dagegen, vor allem die CSU. Letztere gräbt sich nun vor den Koalitionsverhandlungen ganz tief ein, CSU-Chef Seehofer hat sein "Ehrenwort" gegeben, dass die Steuern nicht erhöht werden. Wie kommt man da raus?

Jedenfalls nicht, indem man einfach so seine Wahlversprechen bricht. Dass bereits so viele Beobachter genau dies erwarten, sollte die Akteure nicht beruhigen. Hier den Erwartungen zu entsprechen, würde zu noch mehr Politikverdrossenheit führen. Und außerhalb des Parlaments warten zwei Parteien - die deklassierte FDP, aber vor allem die aufstrebende AfD - nur darauf, dass sich das Bild von den Staatsräubern verfestigt.

Ein Dilemma? Eigentlich schon, gäbe es nicht einen Königsweg. Eine neue Koalition muss ihn nur beschreiten - und sich in eine große Steuerreform flüchten.

Sie muss die Ansätze aufnehmen, die in der vergangenen Legislaturperiode versandeten - nachdem mit der Senkung der Hotelsteuer, einer unfassbar dummen Klientelpolitik, das ganze Thema diskreditiert worden war. Davor hat es eine breite Steuerreformdiskussion gegeben, übrigens unter maßgeblicher Beteiligung von Grünen-Politikern (die SPD war traditionell zögerlich). Hier gilt es anzusetzen.

Die Koalitionäre sollten also eine Kommission einberufen, mit allen, die bei diesem Thema Rang und Namen haben, auch ein Kirchhof darf da nicht fehlen; eine Kommission mit klarer Agenda und klarem Zeitrahmen bis Sommer 2014. Auf der Basis der Vorarbeiten und des Abschlussberichts könnte die neue Koalition in Klausur gehen und sich, zur Halbzeit der Legislaturperiode, auf eine große Steuerreform einigen. Die würde dann so viel verändern, dass man gar nicht mehr sagen kann, wer wann welches Versprechen gebrochen hat, es wäre auch egal. Und dem Land wäre ein Dienst getan.

Ein einfacheres, gerechteres, transparenteres Steuerrecht allein ist schon ein Wachstumsprogramm - selbst wenn der Griff des Staates in der Summe gar nicht gelockert wird.

© SZ vom 02.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: